Häufig hört man von Atheisten, dass sie nur an einen Gott weniger glauben, nämlich an keinen. Jedenfalls: Vor ca. 4.000 Jahren, zu Zeiten Echnatons, keimte erstmals der Eingottglaube auf. Es ist eine radikale Idee, weil sie alle anderen Götter in Frage stellt. Außerdem ist sie mit einer großen Effizienzsteigerung verbunden. Man benötigt nicht mehr verschiedene Tempel und Gotteshäuser, um nur ein Beispiel zu nennen.
Vor ca. 2.000 Jahren gewann diese Idee an Popularität und behielt sie bei, bis hinein in unsere Zeit. Jetzt aber, so scheint es, stehen wir vor einer neuen Zeitenwende. Den Menschen ist jeder Tempel, jede Kirche zuwider. Die Medien prangern vermeintliches, verschwenderisches Verhalten der Kirchen an. Die Abkehr von Kirche und Glaube dokumentieren zig tausende Kirchenaustritte jedes Jahr.
Ist der Schritt von Ein-Gott zu Kein-Gott letztlich eine logische Weiterentwicklung und Begleiterscheinung unseres rationalen und effizienten Lebensstils? Ein Atheist kann den ganzen Tag lang produktiv sein. Er muss nicht beten und kann am Sonntag ausschlafen. Eine EDK-Studie hat kürzlich festgestellt: "Religionslosigkeit wird zum Bekenntnis". Ist Atheismus also quasi eine neue Religion/Weltanschauung und sind die Begleiterscheinungen - anders als bei Religionen Tempel und Gebet - Konsumtempel, Internet und Freizeit? Oder wo manifestiert sich der Atheismus am meisten?
doitsujin752014-07-29T05:06:26Z
Beste Antwort
Atheismus als logische Entwicklung, als "Endziel" zu sehen, halte ich für grundlegend falsch, weil man dabei von einem falschen Geschichtsbild ausgehen muss.
Geschichte ist bestimmt kein gesteuerter Prozess, der in einem definierten Ziel kulminieren muss. Das stimmt genauso wenig, wie die Vorstellung, dass Geschichte ein sich ständig zyklisch wiederholender Prozess ist. Geschichte "ist" einfach, ohne Zweck, Ziel und Funktion. Da kann es keinen Automatismus geben, der die vermeintlich bessere, oder rationalere Idee befördert, und gerade das, was wir von der Weltgeschichte wissen, zeigt auch auf, dass sich Gesellschaften und Kulturen in eine andere Richtung bewegen können.
Die Schriften der antiken Philosophen wurden beispielsweise erst nach dem Mittelalter in Europa wiederentdeckt, teilweise über den Islam an Europa herangetragen, weil sie im Orient konserviert wurden, - anstatt sie wie in Europa zu vernichten. Die Geschichte des Islams zeigt überhaupt auf, wie sich eine in ihrer Blütezeit noch relativ gemäßigt gebende Religion und tolerantere gesellschaftliche Entwicklung durchaus in eine archaischere, fundamentalistischere Glaubenspraxis zurückfallen kann.
Die Aufklärung als Grundlage westlicher Zivilisation ist da auch kein Selbstläufer. Wer nach den zwei Weltkriegen, der anschließenden Auseinandersetzung der Systeme im Kalten Krieg und dem Fall der Sowjetunion der Vorstellung anhing, dass sich letztendlich die rationaleren Argumente als Selbstläufer durchsetzen müssten, durfte spätestens mit dem 11. September 2001 diese Vorstellung revidieren. Von diesem Zeitpunkt an war es nicht mehr möglich zu denken, dass die Aufklärung als Garant für einen Gesellschaftsentwurf, der die weltliche Macht der Religion beschränkt und einen Pluralismus an religiösen und nichtreligiösen Überzeugungen unter einem Dach zusammen führt, automatisch religiösen Fundamentalismus beseitigen würde, vielleicht sogar Atheismus fördern würde, selbst wenn sich diese Entwicklung in Teilen der westlichen Welt klar beobachten lässt.
Religionslosigkeit ist in den letzten Jahren in der Tat zu so etwas wie einem "Bekenntnis" geworden. Als Antwort und Reaktion auf die negativen Auswüchse der Religion fühlen sich in der Tat mehr Menschen auf den Plan gerufen, deutlich Position und klare Kante gegen Religion zu beziehen. Das aber als Atheismus zu verkaufen, funktioniert so vielleicht bestenfalls bei leichtgläubigen Menschen, weil Atheismus an sich nicht besonders abendfüllend ist und bestimmt nicht zu einer Weltanschauung oder einem "Bekenntnis" im religiösem Sinne reicht. Solche schwachsinnigen Etiketten können nur religiös motiviert sein, um zu negieren, dass sich die Kritiker andere Dinge auf die Fahnen schreiben, die als gesellschaftliche Grundlage längst in der westlichen Welt implementiert sind: Aufklärung, Demokratie, ein dezidiert säkularer Humanismus, Menschenrechte, sehr oft auch Säkularismus oder Laizismus - allesamt Werte, die gegen die weltliche Macht der Religion erstritten werden mussten. Atheismus allein ist eine ziemlich magere Veranstaltung, impliziert nichts, motiviert zu nichts, und es lassen sich auch weder Handlungsempfehlungen noch irgendwelche Lehrsätze daraus ableiten. Das alles in einen Topf zu werfen und gleichzusetzen - auch mit einem nicht immer spezifizierten Materialismus, wie es auch hier auf Clever oft zu lesen ist - ist nicht weiter als religiöse Polemik, sei es nun aus Unwissenheit, oder mit der Absicht der Manipulation. Beides ist schließlich denkbar, in Institutionen, in denen es noch gefeiert wird, wenn man seinen Verstand am Eingang abgibt und die höheren Strukturen dort etwas anderes glauben, als den Massen gepredigt wird.
Die Kirchenaustritte, wie auch die Zahlen der Konfessionslosen und konfessionell Gebundenen, zeigen dabei nur bedingt auf, wie stark Religiosität und Glauben in der Gesellschaft verankert sind. Die Austritte würde ich eher dahingehend werten, dass der "mächtige Arm" der Religion in der Gesellschaft an Macht über die Menschen eingebüßt hat. Dabei sind aus verschiedensten Gründen immer noch Menschen konfessionell gebunden, die mit der spezifischen Religion und nicht einmal mit Glauben an sich etwas anfangen können, während unter den Konfessionslosen auch Leute zu finden sind, die durchaus noch etwas glauben - wenn auch auf deutlich niedrigerem Niveau, wenn man Statistiken dazu "Glauben schenken" mag. Der Glauben an einen Gott, wie auch der Glauben an irgendetwas, schwindet tatsächlich in unserer Gesellschaft. Dennoch würde ich die Kirchenaustritte in den letzten Jahren zu einer gehörigen Portion auch als Teil einer "Konsolidierungsphase" werten. Ich sehe jedenfalls starke Indizien dafür, dass es in vielen Fällen keine "Abkehr" vom Glauben mehr ist, sondern eine Abkehr von Institutionen, denen man mangels Glauben ohnehin keinen Sinn für das persönliche Leben mehr zu spricht. Deshalb gehe ich, zumindest für die Nachkriegszeit, mehr von Konsolidierung der Gläubigen, als von Schwund an Gläubigen aus. Gleichzeitig sehe dabei auf deutlich kleinerem Niveau den Trend der Radikalisierung und Fundamentalisierung Gläubiger. Beides wird aber weder durch Kirchenaustritte, noch durch die Zahl der Konfessionellen, Nichtkonfessionellen wirklich abgebildet. Das ergibt sich eher aus dem Gesamtbild aller Faktoren.
Dass Atheisten gelegentlich bemerken, dass sie nur an einen Gott weniger glauben, und damit an keinen, werte ich als rhetorisches Mittel um aufzuzeigen, dass der Ein-Gott-Glaube nicht selbstverständlich und naturgegeben ist, sondern sich in einen ganzen Kanon an Göttern einordnen lässt, die gläubige Monotheisten mit einem ganz anderen Selbstverständnis ablehnen, ohne das rational begründen zu wollen und zu müssen. Kein Atheist, der halbwegs geschichtlich und philosophisch bewandert ist, würde aber daraus im Umkehrschluss konstruieren wollen, dass Atheismus deshalb die logische Konsequenz sei, auf die alles gesellschaftlich, philosophisch und geistesgeschichtlich zwingend hinauslaufen müsste.
Atheisten hat es schon immer gegeben, nur waren früher die Umstände anders, sodass sie sich nicht offen als solche zu erkennen geben durften.
So neu ist der Gedanke also gar nicht.
Zudem ist zu beobachten - und war auch in all den Jahrhunderten zu beobachten -, dass Menschen trotz Zugehörigkeit zu einer Glaubensrichtung Dinge taten, die ihrem Glauben widersprachen. Katholiken und Protestanten führten zum Beispiel schlimme Kriege, hinterzogen Steuern, logen, begingen Ehebruch etc. Viele Dinge werden im Widerspruch zu Gottes Geboten getan, man nimmt diese nicht ernst. Aols ist hier von einem sogenannten "religiösen Atheismus" auszugehen - diese Menschen üben eine Religion pro forma aus, während sie ein atheistisches Leben führen.
Was du beschreibst, ist nicht der Wechsel von einem Gott zu keinem Gott, es ist der Wechsel von einem Gott zu einem anderen. Da du als Vorteile Effizienzsteigerung und Ãhnliches nennst, scheint der Gott, den du Atheismus nennst, doch wohl eher der Kapitalismus, oder, biblisch gesprochen Mammon zu sein.
Atheismus ist nichts weiter als ein philosophischer gedanke! viele bezeichnen atheismus als realität aber dabei ist es materialismus! materialisten sind auch unglücklich! jeder mensch fragt sich was er auf dieser welt zu suchen hat! willst du wissen warum arroganz eine schreckliche eigenschaft ist? weil arroganz einen daran hindert sich zu fragen wer man ist und was man auf der welt zusuchen hat!