Können Menschen allein deshalb etwas glauben, weil sie es glauben wollen?
Da diese Frage verschiedene Bereiche berühren kann, Psychologie, Weltanschauungen, Philosophie, habe ich sie, einigermaßen wertneutral, hoffe ich, unter „Kultur” laufen lassen...
2014-02-20T09:10:50Z
Bevor sich das hier ausschließlich auf religiöse Aspekte einschränkt, was zum Beispiel mit einem Menschen, der sich weigert, wahrzuhaben, dass sein Partner fremdgeht, obwohl er es unterschwellig doch schon weiß? Der also an seiner heilen Welt festhält?
2014-02-20T09:38:07Z
Für alle Nachträge: Fühlt euch von mir doppelhochbedaumt...
2014-02-20T09:40:05Z
Hermann hat's wie üblich missverstanden...
Cicero2014-02-20T10:48:06Z
Beste Antwort
Meiner Ansicht nach kann man nur Dinge glauben, die mit dem vereinbar sind, was man über die Welt weiß. Etwas zu glauben ist ja immer nur da nötig, wo man nichts weiß. Solange man die Gedanken eines Menschen nicht lesen kann, muss man ihm beispielsweise glauben, dass er die Wahrheit sagt, wenn er erzählt, was er gerade denkt. Wissen kann man es (bisher) nicht.
Man füllt damit also Kenntnislücken auf, dieses "Füllmaterial" muss aber vereinbar mit dem sein, was man weiß, alles andere wäre irrational. Wenn jemand zum Beispiel nachweislich dauernd lügt, wird es anderen irgendwann schwer fallen, ihm zu glauben, dass er die Wahrheit sagt, wenn er das behauptet. Je mehr eine Behauptung dem eigenen Kenntnisstand widerspricht, desto schwerer wird es, sie zu glauben und desto besser muss daher die Begründung sein, dass die Behauptung stimmt. Und wenn die Begründung nicht ausreichend ist, dann kann man einfach nicht glauben, dass die Behauptung stimmt, ob man will oder nicht. Ich zum Beispiel würde gern glauben, dass ab morgen plötzlich nirgends mehr Krieg geführt wird und das für immer. Leider widersprechen dem meine Erfahrungen und daher kann ich es nicht glauben.
Möglich ist allerdings, dass bei jemandem, der sich in einer Lebenskrise befindet und daher leichter zu beeinflussen ist, weil er quasi nach jedem Strohhalm greifen würde, um wieder neuen Halt im Leben zu finden, das Vertrauen in bisherige Erkenntnisse geschwächt und ihm daher Behauptungen als wahr verkauft werden können, die er unter anderen Umständen nicht geglaubt hätte. Da spielt dann der Wille insofern eine Rolle, dass der Verzweifelte natürlich den Willen hat, wieder einnen festen Halt im Leben zu haben. Was er dann letztendlich nach dem Ende seiner Lebenskrise glaubt, hängt aber davon ab, welche Alternativen ihm währenddessen angeboten werden und welche davon er glauben kann.
Dein Beispiel ist aber etwas unpasssend. Da weiß der Mensch eben schon, dass sein Partner fremdgeht, glaubt also nicht, dass er es nicht tut. Er hat sich nur entschlossen, diese Erkenntnis zu ignorieren und so zu tun, als ob es sie nicht gäbe. Das ist was anderes.
Nachtrag: Mir ist gerade noch eingefallen, dass es auch Situationen geben kann, in denen die Alternativen gleich gut oder schlecht belegt sind, so dass es kein objektives Kriterium dafür gibt, was wahrscheinlicher ist. Zum Bespiel kann es sein, dass ein Mensch weder dafür, dass sein Partner fremdgeht, noch dafür, dass er es nicht tut, einen Beleg hat. In solchen Fällen werden die meisten wohl das glauben, was aus ihrer Sicht das angenehmere ist. Also zum Beispiel, dass ihr Partner nicht fremdgeht.
Ich denke, dass selbst die einfachsten Urteile im Leben von einer Grundeinstellung beeinflusst sind. Ein Esoteriker wird so viel als möglich Zusammenhänge auf sein Gebiet beziehen. Desgleichen fallen die Urteile von Pessimisten, Optimisten usw. je nach ihrer Grundhaltung aus. Man glaubt also vermutlich zu einem hohen Prozentsatz, was man glauben will. Selbst wirklich gute Gegenargumente erreichen oft heftige Abwehr. Das deutet darauf hin, dass jeder seine eigene Welt zaubert und darin auch gut zurecht kommt. Es ist also eine Frage der eigenen Sicherheit, wenn Urteile durch das Glauben-wollen der eigenen Grundeinstellung angepasst werden. Letztendlich ist der "gesunde Menschenverstand" ein gesellschaftliches Gesamtresultat, was genau nur das glaubt, was es glauben will. Es reformiert sich zwar, ist sich selbst gegenüber aber unkritisch.
Das ist ja die ganz grundsätzliche Methode, wie Glauben funktioniert. Das von semantischen Ãberhöhungen und ideologischen Aufwertungen bereinigte sachliche deutsche Wort dafür ist: Einbildung.
Da Glauben häufig ebenfalls eine pathologische Entsprechung hat, lassen sich synonym auch fixe Idee, Zwangsvorstellung und/oder Realitätsverweigerung nennen.
Es gibt eben verschiedene Konzepte, wie man die Umwelt und wie man sich selbst rezipiert. Ein Konzept ist es, die Realität zu erforschen, sich ein Bild darüber zu verschaffen, was ist, sowie sich auf geistig gesunde Art in der Wirklichkeit aufzuhalten. Das (Aber)-Glaubenskonzept geht da andere Wege. Angefangen bei der Kindererziehung, in der den hilflos ausgelieferten Kindern bereits Märchen-, Phantasie- und Spukgestalten als "real" eingetrichtert werden, geht das dann über religiöse Indoktrination und später politische Desinformation immer so weiter.
Träumen ist etwas ganz anderes. Da verarbeitet das UnterbewuÃtsein vom BewuÃtsein nicht bewältigte Inhalte und gewährleistet dadurch das weitere gesunde Funktionieren des Empfindungs- und Denksystems. Durch die sog. Verschiebungs- und Verdichtungsarbeit laufen dabei ebenfalls phantastisch anmutende kleine "Filmchen" ab, die wir Träume nennen. Diese sind allerdings durch die Traumanalyse auf ihren Realitätsgehalt hin "lesbar" und somit nicht von der Erkenntnis abgekoppelt, sondern sogar hinführend.
Mit sog. Tagträumen ist das dann noch einmal eine andere Sache. Diese sind individuell sehr verschieden. da in ihnen biographisch angesammelte Inhalte das Meditative überlagern.