Muss der Mensch für eine bessere Welt gegen seine Natur handeln?
Ist es nicht so, das der Wunsch nach einer besseren, gerechteren Welt dem evolutionär erfolgreichen Prinzip des "egoistischen Gens" ziemlich widerspricht?
Tatsächlich lässt sich ja ziemlich viel von dem, was aus gutem Grund als Verbrechen zählt aus Sicht der Evolution als "sinnvoll" auslegen. Denn jede Gewalteinwirkung gegen "Fremde" stärkt ja den eigenen Genpool und erhöht die eigene Überlebenswahrscheinlichkeit. Hitler z.B. war sich diesem Sozialdarwinismus ja ziemlich bewusst. Tatsächlich aber handelt ja eigentlich jeder Dieb, Mörder, Vergewaltiger, auch jeder Kriegstreiber (vor allem wenn es um Eroberungskriege geht) eigentlich im Sinne der Evolution, in den allermeisten Fällen wohl ohne das es diesen bewusst ist.
So ist es direkt erschreckend festzustellen, das etwa die schändlichen (Massen)vergewaltigungen, wie sie leider in fast allen Kriegen teilweise sogar mit Billigung der Machthaber stattfinden, aus Sicht der Evolution auch noch "nützlich" sind (es widerstrebt mir hier die Worte "nützlich" oder "sinnvoll" zu verwenden....), denn die eigenen Gene bzw. die der zugehörigen Gruppe werden dadurch erhöht, die des Gegners dezimiert.
Es erklärt auch, warum dieses verachtenswerte Verhalten sich bis heute noch erhalten hat, weil es eben auf diese Weise vermutlich seit Millionen Jahren "erfolgreich" war.
Demgegenüber ist mitmenschliches Verhalten im evolutionären Sinne nur innerhalb der eigenen, zusammengehörigen Gruppe "nützlich".
Allerdings haben sich unsere empathischen Fähigkeiten - wenn auch nicht bei allen Mitmenschen gleichermaßen - derart weiterentwickelt, das wir sogar Mitleid mit unserer "Nahrung" empfinden können. Ich bin sicher der Anteil der Vegetarier würde rasant steigen, wenn tatsächlich jeder seine Nahrungstiere selber schlachten müsste....
In manchen Fällen dient die Evolutionsbiologie ganz offen als Rechtfertigung für bestimmtes Handeln. Fremdgehende Personen etwa sagen gerne mal "Ach, das ist halt unsere Natur, ich kann dafür ja nichts, das ist halt der Urmensch in uns der seine Gene möglichst weit verteilen will..."
Im Falle einer eigenen schweren Krankheit oder der von nahestehenden Angehörigen möchte man von solchen Argumenten natürlich nichts wissen, obwohl das "Aussortieren" von "weniger fitten" Individuen doch das "genetische Material" der Gruppe stärken würde.
Nun also zur eigentlichen Frage:
Unsere heutige, glücklicherweise zumindest in weiten Teilen der Welt gültige und akzeptierte auf Mitmenschlichkeit basierende Ethik lässt sich kaum aus der Natur ableiten und hat sich quasi aus dem Prozess der Evolution, dessen Ergebnis wir aber sind, abgekoppelt und gewissermaßen verselbstständigt.
Müsste nicht, um die Welt im Sinne dieser Werte zu verbessern, hier mehr Aufklärung betrieben werden? Würde das überhaupt etwas nützen?
Offenbar fällt vielen Völkern eine Art "globales Denken" schwer und die Erkenntnis, das auch ein friedliches Miteinander möglich ist. Vor allem das man ohne Feindbilder viel besser und effektiver leben könnte, auch wenn dieses Prinzip seit Milliarden von Jahren der Konfontation mit Freßfeinden nützlich war.
Ganz selbstverständlich nutzen wir heute evolutionäre Prinzipien, um effektiver Nahrung - vom Getreide über Nutzvieh - zu züchten, besonders schöne Gartenpflanzen oder Rassehaustiere mit bestimmten, als förderungswürdig eingestuften Eigenschaften.
Wäre es denkbar diese Prinzipien auch einzusetzen, um Menschlichkeit zu fördern sowie Gewalt und kriegerische Auseinandersetzungen zu reduzieren?
@ibisnit: Interessante Gedankengänge! Das ist mir auch schon oft aufgefallen, das ja gerade die ärmsten Regionen am anfälligsten für Gewalt und (Bürger-)kriege sind. Vor allem aber müsste man dann das Bewußtsein schaffen, das das Zeugen von möglichst vielen Nachkommen heute eben kein Überlebensvorteil mehr ist sondern im Gegenteil zu Armut führt, da die zur Verfügung stehenden Ressourcen ja nicht exponential mitwachsen.
@Shivaner: Die, die am Elend andere verdienen, sind ja nur eine Minderheit. Der Haken ist, das schlechte Charaktereigenschaften (Egoismus, Rücksichtslosigkeit, Bereitschaft zu Gewalt, Lügen und Intrigen) oft sehr nützlich bei Erlangen von Machtpositionen sind.
Interessant das Stichwort Rassismus: Das halte ich für einen typischen evolutionären und eines zivilisierten Menschen unwürdigen Urinstinkt.
@Kapaun: In ihrer Gesamtheit betrachtet hast du wohl recht, dann allerdings dennoch nicht "wegen", sondern "trotz" - ansonsten hast du den Text meiner Frage nicht gelesen. Und dass es heute besser und gerechter als vor 2000 Jahren ist, dürften Menschen in Ruanda, Sierra Leone oder Afghanistan wohl etwas anders sehen, ebenso alle die Opfer von Verbrechen wurden....
@shivaner die 2.: Nun, nicht zivilisiert ist es etwa zu glauben, das es nur aufgrund von Regentänzen und Opfern regnet, nicht zivilisiert ist das Verstümmeln von Menschen aus "kulturellen" Gründen, nicht zivilisiert ist auch die Ansicht, man könnte den Wert eines Menschen über körperliche Merkmale definieren (Rassismus) womit selbstverständlich auch die Ideologie des 3. Reichs unzivilisiert war, auch wenn das Selbstverständnis ein anderes war. Aber das ständige Anstacheln und Instrumentalisieren von solchen "niederen Instinkten" (Mensch sieht anderes aus / verhält sich anders = Feind = Böse = kann vernichtet werden) beweist ja die Abwesenheit von "zivilen Werten". Diese Methoden werden ja heute noch von vielen kriegstreibenden Völkern verwendet und - back to topic - ich frage mich, ob mit Aufklärung / Information hier entgegengesteuert werden kann.
Danke nochmal für die Beteiligung - hätte mir allerdings mehr Antworten erhofft. Gebe zur Abstimmung frei...