Ruiniert der religiöse Glaube bisweilen tatsächlich den Verstand?

Diese Frage wirft Kurt Flasch, ehemaliger Katholik und renomierter Philosoph und Historiker in seinem autobiografischen Buch:" Warum ich kein Christ bin" auf.
Er bezieht sich dabei auf seine Studienzeit, in der er einer Reihe von auch international hoch angesehenen Hochschullehrern begegnete, die das wissenschaftliche Instrumentarium perfekt beherrschten und immer wieder von ihren Studenten einforderten.
Wenn es aber um die Entstehung des Christentums ging, vergaßen einige dieser wissenschaftlichen Koryphäen ihre historische Kritik und fingen an "zu predigen".
" Daß ein Historiker von so hohen Graden wie Mathias Gelzer die Contenance verlor, wenn er vom Neuen Testament sprach, daß er von Paulusbriefen so viel weniger streng redete, als von den Briefen Ciceros, das war für mich ein aufreizender , ein ungeheurer Vorgang....Und ich begann mich zu fragen, ob der Glaube nicht zuweilen den Verstand ruiniert."

"Warum ich kein Christ bin"- Beckverlag, München 2013

2014-09-04T12:37:51Z

Danke an aller User für die rege Teilnahme an der Meinungsäußerung.
Besonders gefallen haben mir aus ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten die Beiträge- in alphabetischer Reihenfolge - von @Braller, @Celine, @doitsujin75,@Kai H, @ Musiker, @ styxway.
Zur Bestimmung der BA war aus meiner Sicht zu wählen zwischen@doitsujin75 und @Musiker...wobei ich letztlich dem Beitrag von @doitsujin 75 den Zuschlag gegeben habe.
Er hat meines Erachtens den Kern der Frage getroffen, wenn es darum geht...

2014-09-04T12:54:22Z

zu beurteilen, wovon die Beeinflussung des Verstandes- wie immer diese auch aussieht- durch den Glauben abhängt.
Ich sehe auch die tiefe und unreflektierte religiöse Konditionierung als einen entscheidenden Faktor dafür, dass im Extremfall der Glaube den Verstand dominiert oder dass zumindest der Verstand bereit ist, Zugeständnisse an den Glauben zu machen.

doitsujin752014-09-02T08:29:36Z

Beste Antwort

Ich denke nicht, dass jemand auf die hier geschilderte Weise den Verstand verliert. Ich halte es eigentlich für klar, dass Flasch das in diesem Falle als rhetorisches Stilmittel einsetzt.
Um in dem rhetorischen Bild zu bleiben und noch eine andere Quelle heranzuziehen, denke ich eher, dass in dem geschilderten Fall die frühe und umfassende religiöse Indoktrination so weit reicht, dass es da an Mut mangelt, sich in fundamentalen religiösen Fragen seines eigenen Verstandes zu bedienen.

Ich halte das nicht für ein bewusstes Aussetzen des Verstandes oder die Ruinierung dessen, sondern für eine so tief sitzende Konditionierung, dass der Betreffende es nicht einmal bemerkt, wenn er in diesem Fall gegen die ansonsten zu Eigen gemachte skeptische, kritische und rationale Methodik verstößt und darin auch keinen Widerspruch sieht. Die Menschen würden ansonsten in keinem wissenschaftlichen Feld bestehen können, wahrscheinlich nicht einmal ihren Alltag bewältigen können.
Dabei halte ich das für kein exklusives Wesensmerkmal religiöser Weltanschauungen, nur hier ist die Indoktrination "von der Wiege bis ins Grab" nur besonders penetrant, so dass sie eben besonders gut greifen kann.

Vordenker und Visionär2014-09-14T01:32:25Z

Nein, das machen falsche Lehren (2.Kor.4,4; Offb.12,9).

Aber unser ewige Vater wird alles wieder her richten (Offb.21,3-4).

Musiker2014-08-31T15:09:52Z

Bisweilen: ja, durchaus. Wenn nämlich eine fundamentalistische Gläubigkeit zwischen den Ebenen "Erklären" und "Deuten" nicht zu unterscheiden weiß, wenn sie naturwissenschaftlich Unmögliches behauptet, wenn sie alle Texte der Bibel unterschiedslos wortwörtlich versteht oder Ereignisse, von denen die Bibel berichtet, auch dann für genauso geschehen hält, wenn die historische Forschung zutage gefördert hat, daß sie ganz anders oder gar nicht stattgefunden haben.

Aber an sich bilden Glauben und Denken überhaupt keinen Gegensatz. Was die in Deinem Zitat erwähnten Paulusbriefe und andere biblische Texte betrifft: als evangelischer Theologe kann und tue ich beides: a. sie im Sinne der historisch-kritischen Forschung wissenschaftlich betrachten (und sie dabei nicht anders behandeln als jedes andere Stück antiker Literatur) und b. darüber predigen, sie dabei im Kontext der gläubigen Verbundenheit des Menschen mit Gott betrachten und interpretieren und Bezüge zu heutigen Lebensfragen herstellen. Beides jeweils zu seiner Zeit, an seinem Ort und im richtigen Zusammenhang. Wobei für mich beides nicht unverbunden nebeneinander oder sogar gegeneinander steht (das wäre schizophren), sondern das, was ich als wissenschaftlicher Theologe weiß, auch in meine Predigten einfließt

A.H.Nungslos2014-08-31T10:35:32Z

Möglich, möglich; ja das ist durchaus möglich!
Die Auswirkungen sieht jeder derzeit im Na.hen O.st.en - und auch anderswo.

Chris2014-08-31T06:45:48Z

Ja! Das ist bewiesen. Es gibt viele Bücher über den Gotteswahn, Die Gottesvergiftung- oder das was religiöser Glaube mit dem Verstand tut.

Allenthalben sieht man doch hier oft, was Religiöse Traumtänzer für einen abartigen Stuss erbrechen. Mit Verstand(von Verstehen) hat das nichts zu tun. Verstehen tun sie nicht, sie labern nur nach, was man ihnen vorgelabert hat.

Weitere Antworten anzeigen (30)