Wird in der Psychologie zuviel Zeit damit verbracht, nach den "warum" zu fragen ?
Das "warum" und die Suche in der Vergangenheit hat sicherlich seine Berechtigung, aber ist es nicht wichtiger, dem "Ist-Zustand" und dem produktiven Umgang damit ....oder ggf. der Veränderung Aufmerksamkeit zuzuwenden ?
Wie seht ihr das ?
2011-06-10T15:59:21Z
@Lannus. Da hast du aber den Finger in die Wunde gelegt, denn meine diesbezügliche Vergesslichkeit hat mich schon selbst oft geärgert, ganz besonders wenn dadurch richtig gute Antworten gegen fanausgewählte verlieren :( Ich gelobe Besserung, was das BA-Auswählen betrifft :)
willou2011-06-10T16:29:47Z
Beste Antwort
Du sprichst in Deinen Details - in einem anderen Zusammenhang - vom Finger, der in die Wunde gelegt wird - und legst hier beide Hände mitten in die Wunden derer, die sich beruflich mit der Psychologie beschäftigen ...
... zu sehr und zu weit sind die einen immer noch engstens mit Freud verbandelt und halten das "warum/woher" für eine "heilige Kuh". Und die anderen so gar nicht - in dem sie jedes Warum für nahezu unwichtig halten und das Heil des Patienten darin sehen, ihn "neu zu programmieren".
Wobei das "warum" und der Blick - weniger die Suche - in das, was einen Menschen geprägt hat - zusammen gehören können - aber längst nicht müssen.
Für das "warum" gibt es viele Blickwinkel und Sichtweisen - letztlich stellst sich die Frage nach einem "warum" dann, wenn der Mensch gegenüber - meist unbewusst - diese Frage ausstrahlt.
Wenn ich in der Psychologie den "Ist-Zustand und den ver- meintlich produktiven Umgang damit" behandle, bleibe ich sehr weitgehend nur an der Oberfläche - und das mag für den Moment sinnvoll sein - selten aber auf längere Sicht - und vor allem dann nicht, wenn tiefgehende Muster und/oder Traumata einen "Ist-Zustand" zu weitgehend - pauschal gesagt - negativ beeinflussen.
Problematisch ist aus Sicht der system. Familientherapie sehr viel mehr die zu sehr eingeschränkte "warum-Frage" und der zu weitgehend auf den Menschen gegenüber begrenzte Blick in die "Vergangenheit".
Ein Mensch ist sehr viel mehr, als jener, der geboren und aufgewachsen und nun als Erwachsener der Psychologie gegenübersteht.
Der Mensch ist immer Teil einer längeren Familiengeschichte, Muster dieser Familie im engeren wie im weiteren Sinn. Er wird dann Teil all' jener Systeme, denen er begegnet ist - innerhalb und außerhalb der Familie.
Kurz und - na ja - nicht unbedingt gut - das Thema ist viel zu umfassend, um in einer so kurzen Antwort aus- reichend gewürdigt zu werden. Richtig ist aber - wenn auch sehr allgemein - dass ich in der Begegnung mit einem Patienten im Jetzt mit diesem gemeinsam entscheide, ob wir uns "nur" dem "Ist-Zustand" und dem produktiven Umgang damit zuwenden - oder ob es wichtiger scheint, umfassender vorzugehen.
Noch einmal anders gesagt: Die Psychologie wäre für viele Patienten gefühlt "heilsamer", wenn sie weniger mit Methoden und Denkansätzen in mehr oder weniger enge Korsetts gepresst werden - sondern einen einfühlsamen Therapeuten vor sich haben, der mit ihnen den Weg geht, der in diesem Augenblick im Leben des Patienten möglich ist.
Ich finde Deine Frage wirklich Klasse, denn ich frage mich schon lange, warum Menschen so viel Energie in längst vergangene Dinge stecken. Die Vergangenheit ist unabhänderlich, man muss sie nehmen wie sie ist und die Kunst ist doch, das Beste draus zu machen, aus Fehlern zu lernen und mit positiver Energie nach vorne zu blicken. Ich fände so ein Vergangenheitsgewühle ehrlich gesagt eher deprimierend als aufbauend. Sicherlich ist es wichtig und richtig sich mit Ursachen und Gründen auseinander zu setzen aber nur bis zu einem begrenzten Grad. Bei einigen Menschen scheint es, als liefen sie in eine Art Sackgasse und finden den Weg aus dieser nicht mehr hinaus, weil vor lauter Gewühle und Gewühle die Sicht total vernebelt ist.
Zuerst möchte ich mich bei dir beschweren, weil du so viele Fragen in die Abstimmung gibst! Was eigentlich für dich unüblich ist! Sei dir nochmal verziehen! ;-))
Leider haben viele Ursachen in der Vergangenheit ihre Wurzeln und wer diese nicht hinterfragt, wird weiterhin blind, ziellos und wenig erleuchtet durchs Leben laufen. Was aber nicht gleich bedeuten sollte, dass ausschließlich die gesamte Zeit damit verbracht werden muss. Natürlich sind die Gegenwart und Zukunft ein wesentlicher Punkt der Orientierung. Wer sich rein in der Vergangenheit bewegt, wird kaum etwas mit den gegenwärtigen Anforderungen anfangen können und somit weiterhin den Dingen hinterher laufen. Also nicht zeitnah genug die Gedanken bei der wesentlichen Sache zu haben. Die Frage nach dem "Warum" sollte dann geschehen, wenn genügend Zeit und eine Ruhepause dies zuläßt, damit man auch genug und ohne Störungen darin abtauchen kann und vielleicht wertvolle Resultate erschöpfend erhält. Diese dann für die weitere Zukunft positiv verwertet einsetzen kann. Nur dieser gesunde Mix hält einen in der Spur des realen Lebens!
ja, sehe ich auch so. gut, bei manchen menschen mag es schon sein, dass da tiefsitzende probleme zu verarbeiten sind... ich war nur einmal bei einem psychologen und wollte mir bei einem aktuellen problem helfen lassen. was macht er? guckt in die akte von meinem hausarzt (rübergefaxt, weil der mich überwiesen hat) und fängt mit ganz anderen sachen an. hat mich null interessiert in dem moment. er hat mich dann nur noch viel mehr kirre gemacht und ich bin abgeschwirrt und nie mehr bei einem dieser garde gewesen.