Ist der Zustand "keine Zeit" zu haben nicht einfach nur die Gewichtung von Prioritäten?
2010-11-06T11:13:38Z
@Pandorra: Sind nicht auch Familienangelegenheiten, Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber oder den Ämtern einfach nur Gegebenheiten, denen NUR ich SELBST eine hohe Priorität einräume? Schließlich gibt es auch gesellschaftliche Aussteiger, die beweisen, dass auch diese Prioritäten verschoben werden können.
Schleier des Nichtwissens2010-11-07T14:54:59Z
Beste Antwort
Ich finde, dass das keine klassische "Ja-Nein-Frage" ist, sondern aufgrund ihrer Komplexität sehr differenziert beantwortet werden muss. Um nicht zu schwafeln, verkürze ich meine Antwort, wodurch sie vielleicht etwas polemischer als gemeint wirkt.
Richtig ist, dass Einige diese Behauptung nur als vorgeschobenes Argument verwenden, Andere sich über ihre eigentlichen Prioritäten nicht im Klaren sind.
Aber es gibt m. E. gut begründete Alternativansichten: Nehmen wir die gesellschaftlichen Aussteiger und verlagern wir dieses Problem 'for the sake of argument' in ein anderes Land: Natürlich kann ich mich als festangestellter Nigerianer oder US-Amerikaner den externen Vorgaben entziehen, also aussteigen. Aber um den Preis, dass ich z. B: die Möglichkeit verspiele, notfalls die medizinische Behandlung meines Vaters, meiner Frau usw. bezahlen zu können. Oder: Ein Freund von mir findet seines Erachtens nicht genug Zeit für seine Kinder. Er verlässt das Haus um 7, kehrt um 19 Uhr zurück. Diese Arbeit hat er getragen von der Hoffnung, dadurch mittelfristig einen Job zu finden, der ihm mehr Zeit für seine Kinder einräumt, angenommen. Auf welche Weise kann er seinen Prioritäten bestmöglich nachkommen? Durchs Aussteigen oder durchs Durchhalten? Das lässt sich erst im Nachhinein beurteilen. Oder: Natürlich ist es eine Frage der selbstgewählten Prioritäten, ob ich der Vorladung vor Gericht folge, oder lieber mit meinen Jungs kicken gehe. Kann aber sein, dass ich mich im letzteren Fall für längere Zeit selbst ausgewechselt habe.
Ein weiteres Problem ist, dass Prioritäten keine kategorischen Hierarchien sind. Eine Freundin von mir hat kürzlich promoviert. In der Zeit hatte sie für ihre Freunde und Verwandte wenig Zeit. Das bedeutete nicht, dass ihr ihre Karriere immer und ewig wichtiger als ihre sozialen Kontakte ist, sonden dass sie zeitweise einen Teil ihrer Interessen hinter andere Interessen gestellt hat. Prioritäten sind Momentaufnahmen, die man für einen Zeitrahmen setzt, unabhängig von der Gesamtbetrachtung der wesentlichen Werte. Bei Redaktionsschluss hat ein Journalist keine Zeit für die Analyse seiner Beziehungsprobleme, unter Blaulicht der Rettungssanitäter kein Ohr für seine Skatkumpel.
Wir sind, auch wenn das manche politische Theorien als Ausgangspunkt nehmen, keine reine Individuen, die völlig unabhängig von den Interessen Anderer ihre Prioritäten setzen. Meist findet eine Abwägung zwischen den verschiedenen eigenen Interessen und denen Anderer (Familie, Freunde, Kollgen, Arbeitgeber usw.) statt. Schon das Setzen der eigenen Prioritäten ist schwierig. Erst recht dann, wenn die gut begründeten Interessen Anderer aus diversen Gründen in die eigene Prioritätensetzung einfließen.
Hallo, Verpflichtungen, die man hat, werden auch akzeptiert, z.B. Arbeit, Kinder, Haushalt. Aber viele Menschen machen sich diese Worte auch zur Gewohnheit, ,,keine Zeit.'' Sie laufen an einem vorbei und haben es eilig. Man trifft sie vor dem Lebensmittelgeschäft selbstvergessen bei einem Tratsch, der alles andere als eine Priorität des Tages sein könnte, wieder. Es ist ein Schlagwort geworden, keine Zeit zu haben.
Wenn man vollständig Herr über dei Festlegung seiner Prioritäten ist - ganz sicher sogar. Doch leider spielen hierbei noch andere Faktoren eine Rolle. Im Angestelltenverhältnis legen oft andere diese Prioritäten fest. Hier kann zwar argumentativ einwirken, doch nicht immer ist einem der Erfolg sicher. Auch im privaten Bereich spielen Familie, Freunde ja und sogar so profane Dinge wie die Ãffnungszeiten öffentlicher Ãmter oft eine Rolle. Grundsätzlich läÃt sich "fast" alles so planen, das man mit der Zeit nicht kollidiert. Nun ist man aber Mensch und räumt diversen Prioritäten auch mal einen anderen Stellenwert ein. So perfekt ein Tag auch prioritätenmäÃig gestylt sein mag - das Unvorhergesehene verstrubbelt immer wieder gerne diese scheinbar wind- und wetterfeste Frisur. Das ist aber nicht das Problem - wer nicht allzu fest an seinen Prioritäten klebt, wer sich die Prinzipienreitere versagt, wird auch mit der kürzeren Zeitschnur zurecht kommen. Anpassung an die Umstände und Flexibilität heiÃen die Zauberworte in dieser Hinsicht.
@Denilson - keine Frage - nur möchte ich gerade in diesem Sinne darauf hinweisen, egal wieviel Raum wir diesen Prioritäten einräumen - es gibt eben immer den Faktor des Unvorhergesehenen. Immer wieder greifen Menschen in unsere Prioritäten ein, knapsen etwas von dieser Zeit ab.
so glaubt man, sich dafür entschuldigen zu können. aber man macht dann alles in hast und eile, auch das wichtige. welchen wert hat ein solches leben noch?