Wieso muss mein Bruder immer so extrem sein?

Mein Bruder (21) war schon immer extrem. Er kann nichts einfach nur toll finden oder etwas nicht so gerne mögen, sondern er muss immer fanatisch sein. Entweder liebt er etwas wie sein eigenes Leben oder er hasst etwas abgrundtief.
z.B. sind wir christlich erzogen worden, aber nicht extrem religiös, also wir glauben schon an Gott, aber gehen halt nur Weihnachten und so in die Kirche. Mein Bruder ist da total anders, er ist "Gottfanatiker" und alle die sagen, dass sie Atheisten sind, bekommen von ihm gleich eine in die Fresse...
Oder auch, wenn es um seinen Lieblingsfußballclub geht, er würde ALLES für den Verein tun und akzeptiert keinen, der nicht für diese Mannschaft ist...
Er macht immer nur Probleme...

Woran liegt das, dass er so ist? Meine Eltern haben so nicht erzogen!

Anonym2010-07-03T09:28:31Z

Beste Antwort

Die Sache hier ist viel einfacher, als die allermeisten hier meinen. Das Verhalten deines Bruders hat nichts mit Wut oder Aggression oder dem underdog-sein zu tun. Es ist eine völlig normale Verhaltensweise eines Heranwachsenden!! Und das sollten eigentlich alle hier wissen. Denn auch wenn es schon ein Weilchen her ist, sollte man sich doch daran erinnern können, wie es war, jung zu sein! Jung sein hat sehr viel mit Selbstfindung zu tun. Als Jungendlicher und junger Erwachsener beschäftigen einen Fragen wie "Wer bin ich eigentlich?", "Was will ich erreichen?", "Worin bin ich gut?", "Was ist der Zweck meines Lebens?" mehr, als in jeder anderen Phase des Lebens. Jung sein, bedeutet ein Stück weit auch unsicher sein. In dieser mittlerweile höchst komplizierten Welt, in der ständig etwas von einem gefordert wird, alle etwas von einem wollen, man sich unterordnen soll, aber gleichzeitig auch seine eigene Meinung vertreten und für sie einstehen will, ist es für viele junge Menschen (verständlicherweise) eine grosse Herausforderung, herauszufinden, wer SIE SELBER eigentlich sind und was sie als Individuum ausmacht. Unterstützt durch den starken Drang der Rebellion und des Anders-sein um jeden Preis ist Extremismus eine völlig normale, natürliche Folge des Erwachsenwerden. Ich behaupte, dass es NIEMANDEN gibt, der nie eine solche Phase durchgemacht hätte. Denn wenn man das mit 40 oder 50 behauptet, ist die Wahrscheinlichkeit wohl grösser, dass man sich einfach nicht mehr erinnern kann, wie es ist, jung zu sein. Ich habe diese Phase auch an mir selbst beobachtet und ich beobachte sie auch zahlreichen Gleichaltrigen. Ob man nun politische, religiöse oder moralische Extremismen vertritt, oder aber auch einfach ein "extremer" Fan von einem bestimmten Fussballclub oder einem Musikstar ist, ist eigentlich nebensächlich. Wichtiger ist der Extremismus selbst. Damit gibt man sich als junger Mensch ein wichtiges Stück Individualität. Man hebt sich von den anderen ab. Man kann rebellieren gegen das Alteingessesene, das Bewahrte, das langweilig-Moderate, das Durchschnittliche. Niemand ist gern ein Durchschnittsmensch. Irgendwie wollen wir doch alle auf eine gewisse Art speziell sein. Und wenn man in einer so unsicheren und emotional komplizierten Phase wie dem Erwachsenwerden steckt, umso mehr.
Meine Begründung wird ausserdem durch eine simple Beobachtung der Realität gestützt. Schauen wir uns doch einfach mal die Welt an: Wo finden wir vor allem Extremismus irgendeiner Façon? Wie alt sind die Linksextremen, die in Berlin ab und zu Autos anzünden oder sich Strassenschlachten mit der Polizei liefern? Wie alt die Rechtsextremen, die in Rudeln an irgendwelche Nazi-Konzerte pilgern und auf dem Weg womöglich nur Unschuldige verletzen oder sogar spitalreif schlagen? Wie alt sind all die Typen, die plötzlich total fasziniert sind vom Koran und nach Pakistan oder Afghanistan pilgern, um in speziellen Camps von Netzwerken wie der Al Kaida eine Ausbildung zum Terroristen zu erhalten? Wie alt sind all die Mitglieder der im Moment richtig populären, stark anwachsenden, christlichen Sekten wie z.B. ICF? Es sind alles Jugendliche, oder junge Erwachsene Es sind alles Menschen, die krampfhaft versuchen, sich selbst zu finden und dabei z.T. leider in sehr bedenkliche Gefilde vordringen. Und trotzdem ist jugendlicher Extremismus etwas völlig Natürliches. Er kommt bei jedem vor! Der Unterschied ist bloss: Die allermeisten werden irgendwann älter, beginnen ein Studium, finden eine feste Partnerin/einen festen Partner, gründen vielleicht ihre eigene Familie - und werden durch den normalen Lauf der Dinge moderater. Denn als junger Vater/junge Mutter oder als jemand mit beruflicher Verantwortung kann man sich Extremismus nicht leisten. Und dann gibt es ein paar wenige, die ihren Extremismus und ihre Radikalität beibehalten. Und DAS sind diejenigen, um die sich unsere Gesellschaft WIRKLICH Sorgen machen muss. Z.B. besorgt es mich persönlich wesentlich mehr, einen 50-Jährigen NPDler zu sehen, als irgendeinen prügelnden Jugendlichen mit aufgesticktem Hakenkreuz auf der Lederjacke. Denn bei Ersterem muss doch zwingendermassen der Gedanke kommen: Der müsste es eigentlich besser wissen!
Fazit also: Was dein Bruder durchlebt, ist eine normale Lebensphase. Auch sie wird wieder vorbeigehen. Früher oder später. Sorgen solltest du dir dann machen, wenn er auch in fünf Jahren den selben Extremismus in seinem Denken und Handeln ausstrahlt.

Linda P2010-07-03T07:06:41Z

Du sagst das Wichtigste doch selbst.
Er muss ! - also setzt ihn etwas unter Druck
immer so extrem ! - also unterliegt er einem Wiederholungszwang
Fanatismus ! - ist ein Ventil für unterdrückte, das eingebläute Aggression an Schwache weitergibt.

Da es sich hierbei um einen Kreislauf handelt, liegt die Wurzel dafür in einer Zeit, wo dein Bruder selbst schwach war und sich gesagt hat so nie mehr wieder.
Da ihm offensichtlich das Selbstvertrauen fehlt schlägt es zu, bevor er wieder untergeht.
Gewalt ist immer das allerletzte Mittel der Selbstbehauptung - danach kommt nur noch der depressive Rückzug und die Verweigerung. Ist auch das nicht mehr möglich mündet das oft in Selbstzerstörung.

Wenn er etwas dominant liebt, will er es vereinnahmen.
Hier zeigt sich seine Verzweiflung und die Angst das geliebte Objekt wieder zu verlieren.
Das ist ihm bereits passiert und wenn du ihm helfen willst, dann achte auf das was er mitteilt, erinnere dich an deine Vergangenheit und die damaligen Situationen (versuche sie mal aus seiner Perspektive zu sehen und zu fühlen.) Versuche dich in deinen Bruder einzufühlen und frage ihn doch einfach mal direkt. Oder hast du Angst, deswegen eins in die Fresse zu kriegen ?
Nimm deinen Mut zusammen und lass die Vorurteile beiseite, geh auf deinen Bruder zu und kläre das, was du nicht verstehst in Gesprächen.
AL LIN

singing2042010-07-03T03:01:47Z

hm........ also ich finde beim Glauben kann man nur voll dabei sein oder garnicht. (naja oder volldabei sein, aber gleichzeitig schon sehen müssen, das man ja unvollkommen ist, aber das würde hier zu weitgehen............) Aber nichtgläubigen auf die Fresse zu schlagen, oder meinst du das bildlich? Das wäre ja schlecht mit dem Gebot der nächstenliebe zu vereinbaren.

Deine Eltern sind daran auch nicht "schuld". Nicht das ganze Wesen wird von der Erziehung geprägt, sondern auch vom Umfeld, und vom eigenen Selbst.
Wie einer hier schon schrieb, der Junge muss einfach noch reifen und sich finden.

Gänseblümchen2010-07-03T02:40:06Z

wenn er anderen gleich in die Fresse haut, wie du sagst, dann ist er kein "Gottfanatiker". Denn die machen sowas nicht.

?2010-07-03T02:05:57Z

für manche menschen zählt der standpunkt 100 prozent oder nichts. mit dieser einstellung hat man es ziemlich schwer im leben weil abgesehen von ausnahmen wie familie oder ähnliches muss man auch kompromisse eingehen. jeder mensch hat andere ansichten und meinungen und darf diese auch ausleben. aber ich denk mal auch das sich diese "phase" legen wird sobald dein bruder älter geworden ist. nur wie kann jemand der angeblich so religiös ist jemandem auf die fresse hauen?

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