Wie sind die Widersprüche von Kapitel eins und zwei der Bibel zu erklären?
Wer die beiden ersten Kapitel der Bibel (ja, ganz von vorne!) liest, was nicht viel Zeit kostet, und dabei keine Widersprüche zwischen diesen ersten beiden Kapiteln entdeckt hat, sollte vielleicht lieber nicht antworten.
Wer sich aber vorstellen kann, was ich damit meine, mir aber erklären möchte, dass es sich hier nur um scheinbare Widersprüche handelt, kann gerne versuchen mir das zu erklären.
Und falls ein Zeuge Jehowa das liest, und der oben erwähnten Meinung ist, dass diese von mir angesprochenen Widersprüche zwischen den ersten beiden Kapiteln der Bibel nur scheinbare Widersprüche seien, bitte ich gleich noch um eine Zusatzerklärung, warum Gottes so missverständlich formuliert ist, dass es immerhin so scheint, als wäre es widersprüchlich. Das kann ja wohl nicht im Sinne eines Autors sein, dass seine Worte widersprüchlich scheinen. Schon gar nicht, wenn der Autor der allmächtige und liebende Gott wäre!
2009-05-02T06:48:37Z
@Phoenix: Was die Schaffung von Mann und Frau betrifft: Du siehst hier die Schilderung in Kapitel zwei mit der Rippen-Geschichte als Hinweis, dass die Frau zuletzt als Krone der Schöpfung geschaffen wurde.
Wenn Du aber mal aufmerksam liest, wirst Du feststellen, dass die entsprechende Darstellung in Kapitel eins eine emanzipierte Sichtweise beweist ("...schuf er den Mensch, als Mann und Frau schuf er ihn. ..."), während in Kapitel zwei die Frau noch nicht mal als Mensch geschaffen wird (" ...schuf er die Frau zum Menschen...").
Die Verfasser von Kapitel eins scheinen also nicht nur frühe Naturwissenschaftler gewesen zu sein, wie Du richtig bemerkt hast, sondern zudem auch noch emanzipiert was die Gleichberechtigung von Mann und Frau angeht. Aber das passt ja auch zueinander.
2009-05-02T07:05:56Z
@Axel: Ich habe gelesen, was Du mir verlinkt hast. Ich sehe da fast keinen Unterschied und die selben Widersprüche, die einzig mit dem Zusatz aufgelöst werden sollen, dass der erste Bericht nur eine geistige Planung beschreibt. Aber wenn Gott etwas so detailliert und stimmig geplant hatte, kann man doch annehmen, dass er es dann auch so in die Tat umsetzt, statt die ganze Reihenfolge auf den Kopf zu stellen, und die Gleichberechtigung von Mann und Frau über den Haufen zu schmeißen, und -- wie ein Politiker, der um Wählerstimmen wirbt -- im selben Atemzug zu erwähnen, dass die Frau dem Mann aber dennoch ebenbürtig sei. Aber eine "Hilfe für den Mann" ist sie andererseits trotzdem, und als "Frau zum Mensch gebracht" wurde sie Wohlbemerkt nicht als Frau zum Mann, sondern als Frau zum Mensch. Es gibt also Menschen (=Männer) und Frauen (=Helfer der Männer, bzw. der Menschen).
Nein, Axel, hat mich leider gar nicht überzeugen können.
apohlke2009-05-01T20:59:08Z
Beste Antwort
Das liegt daran, daß da zwei verschiedene Quellen verarbeitet wurden.
Daß die Bücher Genesis bis Deuteronomium ein aus älterem Material von einem Redaktor zusammen geschriebens Werk ist, ist von jüdischen und protestantischen Gelehrten bereits sehr früh gesehen worden.
Die wichtigste und auch mit am besten ausgearbietete Hypothese dazu ist die sogenannte "Neuere Urkundenhypothese", die maßgeblich auf Julius Wellhausen zurück geht, der sie Ende des 19. Jahrhunderts publizierte. Danach liegen den Büchern Genesis, Exodus, Numeri, Leviticus, Deuteronomium und Josua ursprünglich vier Quellenschriften zu Grunde, die als Jahwist, Elohist, Deuteronomist und als die Priesterschrift bekannt sind. Der Jahwist und der Elohist sind so benannt, weil der eine Gott mit dem Tetragrammaton (JHWH) bezeichnet, während der andere ihn durchgängig als "Elohim" bezeichnet. (Es gibt daneben im AT noch ein bis zwei Dutzend verschiedene Gottesbezeichnungen. Mindestens.) Der erste Schöpfungsbericht, wo so schön die sieben Tage und der ganze Kosmos vorkommen, stammt vom Elohisten. Der zweite, wo Gott im Garten Eden mit Lehm rumspielt, stammt vom Jahwisten. Etwas über die Tendenzen und Entstehungsbedingungen der verschiedenen Quellenschriften kann man zum Beispiel dadurch rausfinden, daß man beispielsweise bei dem von Dir angeführten doppelten Schöpfungsbericht feststellt, daß der erste der beiden Schöpfungsberichte sich mit baylonischen Kosmologien auseinandersetzt, also einen Kontakt damit voraus setzt. Manch Ereignisse im AT werden sogar noch öfters als nur zwei mal erzählt, bei dem berühmten "Meerwunder" des Moses kann man mindetsens drei Berichte vonainander unterscheiden, wobei man feststellen kann, daß die Schilderung immer fantastischer wird. Am Anfang steht nur die Feststellung, daß Gott die Israeliten gerettet und die Ägypter im Meer ertrunken sind. Im nächsten Text kommen dann Elemente dazu, die erklären, wie das passiert sein soll, da weht dann ein Wind und die Räder der Streitwagen bleiben im Schlamm stecken bleiben. Die schöne Geschichte mit dem Wasser, das wie eine Wand zur Linken und zur Rechten stand, findet sich schließlich in der letzten Variante. Jetzt kann man sich natürlich fragen, warum der Redaktor, der das ganze wohl im 5. Jahrhundert vor Christus zusammen geschrieben hat, den Text nicht stärker vereinheitlicht hat, aber im Grudne ist es sehr verständlich, ein moderner Historiker würde es, wenn er unterscheidliche Varianten in unterschiedlichen Quellen hat, nicht anders machen: Er würde seinem Leser alle Varianten erzählen. Nur würde er dabei brav angeben, welcher Halbsatz aus welcher Quelle stammt, das ist aber in der Antike nicht üblich. Selbst hochwissenschaftliche Werke, die auch sagen, welche Autoren sie benutzt haben, machen das in dieser Zeit summarisch und nicht mit Einzelangaben.
Die "Neuere Urkundenhypothese" ist in ihrer strengen Form in neuester Zeit revidiert worden, allerdings sind die ihr zugrunde liegenden Beobachtungen und Grundannahmne (der Pentateuch ist ein aus mehreren Einzelwerken von eine Redaktor zusammmen gestelltes Werk) und das darauf beruhende Verfahren der Quellenscheidung ist unter protestantsichen und katholischen Theologen unstrittig.
Für weitere Details zur Quellenscheidung im Pentateuch empfehle ich den Wikipedia-Artikel.
Die Redakture von Genesis inkludieren in ihren Text immer wieder auch sehr gegensätzliche Geschichten. Für diese Redakteure ging es weder darum ein Lehrbuch für Geologie, Biologie oder Geschichtswissenschaften zu schreiben, als vielmehr von Gottes Wirken unter den Menschen zu erzählen.
Genesis 1 redet davon, daà Gott die Welt geschaffen hat, und daà wir uns vermehren sollen und als gute Herrscher über die Natur gesetzt sind, nur wenig geringer als Gott selbst.
Genesis 2 erzählt davon, wieso der Mensch heute dem Tod unterworfen ist, was in erster Linie von einem spirituellen Verfall her zu deuten ist.
Beide Texte sind wohl liturgische Texte des Tempel Salomos. Das Tempeldrama kulminiert darin, daà Gott den Menschen Gesetz gibt, um ihn wieder in seine Gegenwart zu holen.
Diese beiden unterschiedlichen Texte kommen wahrscheinlich aus unterschiedlichen Traditionen und wurden vereint, da sie in einzigartiger Weise den Platz des Menschen in der Schöpfung und dem Wirken Gottes zeigt.
Das Problem, das Du hast, kommt daher, daà fundamentalistische Christen die Bibel als gottgehaucht sehen: Jedes Wort, das da steht, so wie es da steht, hat Gott dem Schreiber eingegeben. Unter dieser Voraussetzung ist jede Unklarheit direkt auf Gott zurückzuführen, was Du ja auch tust.
Die biblischen Autoren selbst sahen sich aber nicht als CD-Player Gottes, sondern sie formulierten die Botschaft Gottes auch. Ihre Botschaft ist zu verstehen aus dem soziohistorischen Umfeld, aus dem sie stammen.
Interessante Frage, mit der ich mich später ausführlich beschäftigen werde.Vielen dank dafür! Nach meinem Kenntnisstand brachten die Priester der Juden diese Geschichte aus der babylonischen Gefangenschaft mit,wo sie ein teil einer alten Geschichte war, wo jedoch nicht der Mann, sondern die Frau das erste erschaffene Wesen war. Die jahweisten nahmen diese Geschichte und modelten sie für sich um. ich kann mir vorstellen, dass dabei auch Fehler entstanden sind.
Logisch sind sie wie die ganzen anderen Widersprüche überhaupt nicht zu erklären. Praktisch ist die erklärung, das die Menschen welche die Bibel erfunden haben, schlicht und einfach darüber hinweggesehen haben - aus welchen Gründen auch immer.
Mir fehlt in den bisherigen Antworten der Verweis auf den Gilgamesch Epos, der aelter, teilweise im Wortlaut mit der Genesis uebereinstimmt. Somit steht meines Erachtens eine Quelle der Genesis fest. Ebenfalls erwiesen ist die Aehnlichkeiten zwischen Bibel und altaegyptischen Totenbuechern, womit sich eine zweite Quelle anbietet. Die Widersprueche koennen auch so erklaert werden.