Vermeintlicher Rechtsrat - gefährlich? Versagt das Clever-System an dieser Stelle?
Es ist mir schon sehr oft aufgefallen und es lässt sich bei einem solch breit angelegten Forum wie Yahoo!Clever, bei dem für manche die Beantwortung ein Hobby ist, wohl nicht vermeiden: Viele antworten, ohne fundierte Ahnung zu haben.
Bei manchen Themen ist das nicht gefährlich, teilweise amüsiert mich ungemein, was einige schreiben (Antworter, die der Ironie fähig sind und ihre Antworten entsprechend formulieren, sind selbstverständlich von der Kritik ausgenommen - wenn man in diesem Forum Fragen stellt, muss man mit der Spitzzüngigkeit der anderen rechnen). Aber wenn Fragen beantwortet werden, obwohl der Antworter von der Materie erschreckend wenig Ahnung hat, versagt Yahoo!Clever. Da werden vermeintliche Fakten ausgebreitet, Erklärungen sind an den Haaren herveigezogen und das Ergebnis der ersten Treffer einer unpräzisen Google-Abfrage wird in einer fröhlichen Mischung als Antwort präsentiert.
Es gibt Gebiete, auf denen das sicher nichts ausmacht: bei "Umfragefragen" zum Beispiel - wer nach einer Meinung fragt, muss sich wohl oder übel auch mit unwissenden Diskutanten abgeben; auch im Hausaufgabenbereich finde ich es fast vertretbar, wenn falsche Antworten herauskommen, frei nach dem Motto: "Selbst schuld."
Ein Bereich aber, in dem ich falsche Antworten für sehr fahrlässig halte: der Rechtsbereich. Zum einen sollten Menschen, die ein persönliches Rechtsproblem haben, sich sicherlich an einen Anwalt wenden, aber es gibt genug, die in ihrer Verzweiflung erst einmal dieses Forum aufsuchen, um die Lage zu sondieren. Und was wird ihnen geboten? Teilweise haarsträubend falsche, schlechte Ratschläge, die oftmals abgegeben zu werden scheinen, ohne dass das offensichtlichste aller Dinge getan wird: ins Gesetz zu schauen. Normen zu lesen, den Sachverhalt zu verstehen, gegebenenfalls nachzufragen. Nein, aus der ersten Googleabfrage und vermeintlichem juristischen "Wissen" wird eine Antwort erstellt, die jeglicher Grundlage und Fundiertheit entbehrt. Das Traurigste: Es gibt Fragesteller, die das genauso wenig beurteilen können wie die Falschantworter, die auf diese Antworten vertrauen und am Ende die (bitteren) Konsequenzen zu tragen haben. Menschen, die hier in ihrer Not Rechtsrat suchen, sind sicher per se an der falschen Adresse - aber auch deswegen, weil sie im wahrsten Sinne des Wortes oftmals schlecht beraten sind.
Ich habe keine Lösung des Problems, aber ich möchte es zur Diskussion stellen. Ja, jeder Fragesteller hat eine gewisse Eigenverantwortlichkeit - aber Verantwortung trägt auch jeder, der hier Fragen beantwortet. Und dessen scheinen sich einige nicht bewusst zu sein. Wie seht ihr das? Und seht ihr eine Lösung? Sollten vielleicht fachkundige Moderatoren bestellt werden, die die einzelnen Bereiche des Boards besuchen und bei den unbelehrbaren Falschantwortern Ermahnungen aussprechen (es erfodert sicherlich nicht viel, sich zurück zu halten, wenn man von einer Materie keine Ahnung hat - höchstens ein gewisses Maß an Bescheidenheit. Ich beantworte auch keine naturwissenschaftlichen Fragen)?
@ Aufklärungsbedarf: Ich gebe Dir grundsätzlich Recht, leider sind wir aber nicht nur von vernunftbegabten Menschen umgeben, und gerade das "Daumen runter"-Prinzip wird so oft missbraucht, dass ich eigentlich für eine Abschaffung plädiere bzw. dafür, diese Funktion vom Erreichen einer bestimmten "Beste Antwort"-Quote in einem Bereich abhängig zu machen. "Das Wissen der Vielen" ist meiner Ansicht nach utopisch. Daumen runter gibt es zwar oftmals, aber nicht immer für eine falsche Antwort - ich schreibe, das gebe ich zu, aus einer gewissen persönlichen Betroffenheit. Ich habe in einigen Fällen schlechte Bewertungen bekommen, obwohl ich absolut überzeugt bin von der Richtigkeit meiner Antwort - sonst hätte ich sie nicht abgegeben. Also, ja: Daumen runter können eine sinnvolle Maßnahme sein. In meiner persönlichen Erfahrung sind sie es jedoch bei Weitem nicht immer. Es kommt hierbei maßgeblich darauf an, wie verantwortlich die User, insbesondere Mitantworter, mit diesem Instrument umgehen.
@ uzimmi: In der Tat, danke für diesen Hinweis! Das finde ich auch immer haarsträubend: "Hilfe, ich habe Kopfweh, kann es ein Gehirntumor sein?" Was da mit den Sorgen und Ängsten der Frager per Ferndiagnose angestellt wird, ist unglaublich.
@ Jens: Wegen der Druckertinte habe einmal herzlich gelacht :-). Die Minderjährigenfragen sind sehr beliebt - das sagt wohl schon einiges zur Userstruktur von yahoo!Clever aus. Über die Antworten kann ich mich in der Regel nur wundern. Noch so ein Problem: Antworte der Minderjährigen xy mit der Wahrheit ("Nein, Du kannst nur in absoluten Ausnahmefällen Verträge schließen!") und sie wird niemals Deine Antwort zur besten wählen. Warum? Weil ihr in ihrem jugendlichen Freiheitsdrang die falsche Antwort ("Klar kannst Du das, alles kein Problem!") nun wirklich viel besser in den Kram passt und allein deshalb mehr Würdigung verdient. Ansonsten halte ich es wie Du: Klappe halten, wenn man keine Ahnung. Von Verträgen verstehe ich etwas, vom Steuerrecht habe ich keine Ahnung - und maße mir dann nun wirklich nicht an, eine "Meinung" kund zu tun, wenn ein Ratschlag gesucht wird.
@ Karlchen: Sehe ich ganz ähnlich. Ich käme auch nicht auf die Idee, mich mit medizinischen Problemen an die große, weite Internetwelt zu wenden. Ich verstehe das Selbstverständis von yahoo!Clever an dieser Stelle auch nicht und stelle es ebenso sehr in Frage wie Du. Wieso bietet man für medizinische/rechtliche Fragen ein solches Forum? Ich denke auch, dass der Grat ein schmaler ist. Bestimmt steht in den Nutzungsbedingungen irgendein Passus, der besagt, dass yahoo!Clever für dies und das und jenes nicht zur Verantwortung gezogen werden kann - ob dies einer rechtlichen Überprüfung standhalten würde, finde ich aber ebenso fraglich wie Du.
Natürlich verdient yahoo! am Clever-Forum, aus reiner Philanthropie gibt es es mit Sicherheit nicht. Umso verwerflicher, dass das Forum thematisch so unbegrenzt ist und yahoo! sich damit durchaus aus einer moralischen (vielleicht auch rechtlichen?) Verantwortung stiehlt. Manche Bereiche, zumindest aber manche Fragen, sollten hier gestrichen werden.
@ idril_arien (HdR-Fan? :-)): Ja, im Grunde hast Du auch Recht mit Deinem Appell an die Eigenverantwortlichkeit der Fragesteller - ich habe das in meiner Frage auch ähnlich formuliert. Dennoch glaube ich, dass das ein wenig zu kurz greift. Das Problem ist, dass Leute vorgeben, etwas zu wissen, und ihren falschen Standpunkt so vehement vertreten, dass der Fragesteller gar keine Chance hat, zwischen richtiger und falscher Antwort (meinetwegen auch richtige/falsche Anregung zur Entwicklung einer eigenen Lösung) zu unterscheiden. Warum halten sich die Leute, die im Grunde keine Ahnung haben, an den betreffenden Stellen nicht zurück? Als Hilfesuchender, egal in welchem Bereich, kann man sie manchmal nur schwer von Experten unterscheiden. Vielleicht bin ich auch einfach etwas idealistischer und glaube daran, dass Clever im Grunde funktionieren *könnte* (tut es aber m.E. nicht) - und frage mich, was man zur Verbesserung tun könnte.