Warum verdienen Tote Respekt...?

Hui, so beeindruckt ich von Frau Alhambras Ausführungen bin, möchte ich doch noch ergänzen, dass in der Tat die Furcht vor der Wiederkehr des Toten ein wesentlicher Beweggrund war. Das klingt für uns heute eher albern, vor 1000 Jahren war es eine Tatsache, die nicht im mindesten angezweifelt wurde, dass die Toten aus dem Grab zurückkehren, um sich zu rächen, wenn ihnen Unrecht getan wurde. Das gilt natürlich nicht nur für Unrecht, dass ihnen zu Lebzeiten zugefügt wurde.

Man vermutet heute, dass die Ursrpünge in einer der ältesten Religionen überhaupt liegen, dem Ahnenkult. Die Theorie besagt, dass die vorzeitlichen Menschen, wenn sie von Verstorbenen träumten, dies als Hinweis nahmen, dass ihre Ahnen irgendwo weiterleben (im Prinzip der Vorläufer des christlichen Himmels). Wenn sie aber noch existieren, dann können sie natürlich auch zurückkehren, schließlich sind sie den Weg von hier nach dort schon einmal gegangen. Also ergriff man frühzeitig Massnahmen (Grabbeigaben zum Beispiel) die dafür sorgen sollten, dass es den Toten in der anderen Welt an nichts fehlt, damit sie nicht zurückkommen. Vermutlich spielt auch das schlechte Gewissen eine Rolle. Auch heute kann es ja passieren, dass jemand plötzlich stirbt, mit dem man vielleicht besser nochmal ein klärendes Gespräch geführt hätte. Was heute nur eine verpasste Gelegenheit ist und einen irgendwie reumütig zurücklässt, wäre damals eine echte Bedrohung gewesen, denn schließlich könnte der liebe Verstorbene ja zurückkehren, um die offene Rechnung zu begleichen. So kam es dann zu weniger netten Sicherheitsmassnahmen wie dem Durchbohren des Herzens oder dem Abtrennen des Kopfes (wie es in einigen Gegenden Rumäniens "in Notfällen"; die Regierung sieht das nicht so gerne; auch heute noch praktiziert wird).

In nahezu allen Kulturen und Religionen wird, trotz zahlreicher Unterschiede im Detail, als moralisch-ethischer Mindeststandard anerkannt, dass dem Verstorbenen ein würdiges Begräbnis und eine würdige Totenruhe zustehen. Außerdem gibt es einen breiten Konsens dahingehend, dass der Verstorbene vor Schmähung und der Herabsetzung seines Lebenswerkes zu schützen ist. Nach wie vor halten sich weite Teile der Bevölkerung sogar an das Gebot des Griechen Chilon, eines der so genannten Sieben Weisen aus vorphilosophischer Zeit, das lautet: De mortuis nil nisi bene. Zwei Gründe werden dabei zumeist angeführt, warum über Verstorbene nicht schlecht gesprochen werden soll: Zum einen können sich die Toten nicht wehren. Wegen der (buchstäblichen) Ohnmacht der Toten soll den Lebenden die Verpflichtung auferlegt sein, den Verstorbenen Respekt zu zollen, sie zu schützen und zu verteidigen. Zum anderen möchten die Lebenden, dass auch ihnen dereinst, wenn sie gestorben sind, eine respektvolle Behandlung zukommt.

Nennt sich Postmortaler Grundrechtsschutz

Es wäre unfair etwas gegen Tote zu sagen, denn sie können sich nicht mehr recht fertigen.

Ich glaube eher, es geht darauf zurück, dass ein Toter sich nicht mehr wehren kann und grunddessen keine "schmutzige Wäsche" gewaschen werden sollte. Frei nach dem Motto "hast Du nichts Gutes zu sagen, sag lieber gar nix".