Kann mit Hilfe der historisch- kritischen Bibelexegese herausgefunden werden, ob Jesus von N. an einen personellen Gott geglaubt hat?
Mich interessieren dabei nicht die Auffassungen der traditionellen christlichen Theologie, wie sie von den beiden großen Kirchen oder den Sondergemeinschaften, wie etwa den Evangelikalen, den Mormonen, den Zeugen Jehovas u.a. vertreten werden, die sind mir hinlänglich bekannt. Mein Interesse ist darauf gerichtet, wie die Vertreter der historisch - kritischen Bibelexegese, die zum Beispiel die Gottessohnschaft Jesu sowie die paulinische Erlösungstheologie in Frage stellen, zu diesem Problem stehen. Mir ist schon klar, dass dies eine gewagte Fragestellung ist, weil es hier um eine sehr spezifische Problematik geht, bei der ein Großteil der User hier verständlicherweise schlicht überfordert ist und weil es in diesem Forum nicht selten eben leider nicht um eine sachliche Auseinandersetzung geht sondern um Krawall und Provokation, wobei sich die ideologischen Protagonisten beider Seiten in nichts nachstehen. Vielleicht hilft aber diese Fragestellung auch, eine differenziertere Sichtweise - m.E.ein Hauptmangel in diesem Forum - gegenüber dem christlichen Glauben zu fördern. Jeder sachliche Beitrag ist willkommen.
Meine Frage resultiert aus dem intensiven Befassen mit dem Buch des evangelischen Theologen Claus Petersen " Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes" Aufruf zum Neubeginn. Petersen ist Mitinitiator der ökumenischen Initiative vom "Reich-Gottes-jetzt".
erhardgr2014-09-07T11:11:20Z
Beste Antwort
Nach übereinstimmeden exegetischen Bemühungen protestantischer wie katholischer Exegeten der Gegenwart enthalten die Jesus-Worte aus dem Markus-Evangelium und der Logienquelle im wesentlichen Worte der "ältesten Jesus-Tradition", zum Teil auch Logien aus dem matthäischen und lukanischen Sondergut. Darauf baut Claus Petersen mit seiner Arbeit auf. Ähnliche Ergebnisse sind bei Schottroff/Stegemann "Jesus von Nazareth, Hoffnung der Armen" zu finden. Ich bejahe also deine Frage vollauf. Die Rede, dass die historisch-kritische Exegese "überholt" sei, wird auch durch gebetsmühlenartige Wiederholung in manchen freikirchlichen und vielen evangelikalen Zirkeln nicht überzeugender. Dass die historisch-kritische Exegese ständig modifiziert wird, liegt daran, dass sie eine wissenschaftliche Methode ist - im Gegensatz zu den dogmatischen Satzwahrheiten der Evangelikalen oder des römischen Lehramtes. Ich habe gerade einen Kurs "Wie hat Jesus von Nazareth von Gott geredet?" an der VHS gehalten. Das Resultat ist sehr differenziert zu sehen. Aber das mag ich nicht hier vor allen Leuten ausbreiten. Zwei Punkte nur: 1. Jesus redet typisch jüdisch von Gott, indem er Worte im Passiv formuliert (zB "Klopft an, so wird euch aufgetan", Lk 11,9/Mt7,7Q), 2. Jesus redet von "seinem Vater", den anzureden er auch seinen Jüngern empfiehlt (Vaterunser) und dem er sich ganz nahe weiß. Folgerungen daraus möge jeder selbst ziehen. M.E. ist (nach der Prozesstheologie) die Personalität des Menschen und die Gottes voneinander abhängig (Perichorese) und somit als geistige Vorstellung durch die Geschichte hindurch in wechselseitiger Beeinflussung entstanden. Das ist zwangsläufig sehr verkürzt gesagt. Im übrigen kann auch festgestellt werden, welche Aussagen im NT nicht "älteste Jesus-Tradition" sind. "Evangelium" meint in den synoptische Evangelien die Rede von der Gegenwart des "Reiches Gottes" im Munde des (irdischen) Jesus von Nazareth; bei Paulus bezeichnet es die Verkündigung von Kreuz und Auferstehung. Dass beides nicht dasselbe ist, müsste jedem denkenden Menschen deutlich sein.
Ob "mit Hilfe der historisch- kritischen Bibelexegese herausgefunden werden kann, ob Jesus von N. an einen personellen Gott geglaubt hat", weiß ICH nicht und ist m. E. auch NICHT RELEVANT, WEIL Jesus Gott EINDEUTIG als GEIST definiert hat laut
Joh 4,24: "GOTT IST G E I S T , und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten".
(Ein) GEIST ist aber KEINE (natürliche) Person und kann eine solche auch nicht sein. Denn (ein) GEIST hat nicht Fleisch und Bein (Knochen), wie Jesus des weiteren EINDEUTIG lehrte laut
Lk 24,39: "... Denn ein Geist hat NICHT FLEISCH und BEIN, wie ihr seht, dass ich (Jesus) habe".
Als Sohn Gottes hat Jesus sonach GEIST zum Vater (Jesus ist ein Kind des GEISTES (Gottes) – vergl. dazu die Redensart: "Jetzt weiß ich, wessen Geistes Kind du bist!"), den niemand gesehen hat laut
Joh 1,18: "Niemand hat Gott jemals gesehen; …“.
Außerdem lehrte Jesus eindeutig, dass das Fleisch (was eine Person hat) NICHTS nützt laut
Joh 6,63: "Der GEIST ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch geredet habe, sind Geist und sind Leben“.
Siehe auch 2.Kor 3,17: "Der HERR aber ist der GEIST; wo aber der Geist des Herrn ist, ist FREIHEIT.
Gal 5,1: "Für die FREIHEIT hat Christus uns freigemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei belasten“!
Also auch nicht durch ein Joch der Kirche(n), die einen anderen Gott und anderen Jesus lehrt bzw. lehren – nämlich den angeblich Dreieignen Gott römischer Kaiser –, den die Apostel nicht gelehrt haben wie geschrieben steht in
2.Kor 11,4: "Ihr lasst es euch gefallen, wenn jemand kommt und euch einen anderen Jesus verkündet als den, den wir euch gebracht haben. Ihr lasst euch gerne einen anderen [o. verschiedenen, o. andersartigen; ein anderes Wort als vorher] Geist geben als den, den ihr zuerst empfangen habt, und nehmt eine andere Gute Nachricht an als diejenige, die ihr von uns gehört habt und das ertragt ihr gut“.
Ich denke in einem bestimmten Maße geht das. Schließlich ist die Exegese ein literaturwissenschaftliches Instrument, dazu kommt die historische Einordnung von Bibeltexten. Was Jesus allerdings vor 2000 Jahren über Gott gedacht hat, ist heute kaum adäquat zu sagen. Bestimmt aber war seine Vorstellung von Gott tief im jüdischen Denken seiner Zeit verankert.
Wie der Terminus "Exegese [Auslegung]" bereits aussagt, kann mit deren Hilfe nichts dergleichen herausgefunden werden; denn, sei sie auch noch so kritisch, sie bleibt, was sie ist: Auslegung, Vermutung, Spekulation. - Ich tendiere in Glaubensdingen eher zur Nuechternheit; auch gegenueber Dingen, die, wie Du in Deinem Kommentar an @Ralf E anmerkst, "an Fahrt gewinnen".