Welche Übersetzung von Markus 1,15 ist eine authentische Wiedergabe des grieschichen Urtextes?
In den meisten der mir bekannten Bibelübersetzungen liest man unter Markus1,15: "Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe.Kehrt um und glaubt an das Evangelium."("Einheitsübersetzung) oder " die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe gekommen.Tut Buße und glaubt an das Evangelium."("Elberfelder Bibel") In der Luther Bibel jedoch lesen wir: "Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen.Tut Buße und glaubt an das Evangelium." Selbst mir als an religiösen Fragen interessierten Atheisten fällt auf, dass hier zwei völlig unterschiedliche Aussagen getroffen werden und das ausgehend von EINEM Urtext und noch dazu in einer zentrale Frage, wenn nicht sogar der Kernfrage dessen, was Jesus von Nazareth vermeintlich verkündet hat. Einerseits wird ein im Gang befindliches, noch nicht abgeschlossenes Geschehen, also in der Zukunft liegendes Ereignis(Reich Gottes) dargestellt, andererseits geht die andere Übersetzung davon aus, dass dieses Ereignis(Reich Gottes) schon eingetreten ist, also da ist. Mich interessiert ,welche Option entspricht denn nun dem Urtext von Markus1,15?
2013-10-29T13:39:29Z
@Alle Vielen Dank für Eure Antworten, ich habe zumindest gelernt, dass man aus Markus 1,15 alleine nicht eindeutig ableiten kann, welche Vorstellung vom Reich Gottes hier nun zum Ausdruck gebracht werden, geht es in die futuristische oder die präsentische Richtung. Die Kritik von @Romero gegenüber @Erhard bezüglich des Aorist vermag ich nicht zu beurteilen, aber gerade der Bezug auf diese Zeitform ist eine wesendliche Grundlage kritischer Protestanten zu r Begründung ihrer Auffassungen zum Reich Gottes und ich verhehle nicht eine gewisse Sympathie gegenüber dieser religiösen Denkrichtung, thematisiert sie doch Fragestellungen, die mich in der Glaubensperiode meines Lebens(etwa 25 Jahre) sehr intensiv beschäftigt haben.
2013-10-29T13:53:16Z
@Felix Besonderen Dank auch an Dich für Deinen m.E.qualitativ hochwertigen Beitrag. Ich kann Deine Position aus der Sicht Deiner Auffassungen zum "Göttlichen" bzw.dem Wesen von Religion gut nachvollziehen und teile sie in mancher Hinsicht. Meine Frage war aber nicht so allgemein angelegt sondern bezog sich auf einen konkreten Fakt- der Authentizität eines Bibelverses- letztlich läuft für mich alles auf die viel grundsätzlichere Frage hinaus: Was hat Jesus von Nazareth wirklich geglaubt und was hat er verkündet und was wurde ihm untergeschoben.
romero2013-10-22T21:13:55Z
Beste Antwort
Ich versuche hier, deiner Frage in etwa gerecht zu werden, gab es doch auch für mich immer wieder Momente, in denen ich mich fragte : was meint das denn? wie in Römer 11,20 „dann sammelst du glühende Kohlen auf seinem Haupt“wenn man dem Feind ordentlich zu Essen und zu trinken gibt. Heute gibt es Zentren, wo Bibelwissenschaftler, Theologen, Rabbiner,Orientalisten, Altphilologen zusammen an unverständlichen Texten arbeiten zum besseren Verständnis.
Markus 1, 15 και λεγων οτι πεπληρωται ο καιροσ και ηγγικεν η βασιλεια του θεου μετανοειτε και πιστευετε εν τω ευαγγελιω
Versuch zu umschreiben für Nicht-Griechen:: kai legon hoti peplerotai ho kairos kai engiken he basileia tou theou metanoeite kai pisteuete en to euangelio.
Βασιλεία του θεου, basileia tou theou , Genetiv, Königsherrschaft des Gottes, (König)Reich Gottes, Basileia (schwieriges Wort) kann heißen Vollmacht und Fähigkeit wie ein König zu herrschen kann aber auch lokal gemeint sein als der Ort, wo ein König regiert, über das Land
μετανοειτε imp.plural Metanoia, das Fremdwort hat sich daraus gebildet, meist mit Umkehr und Buße übersetzt, es ist für mich immer noch ein wenig zu ungenau, denn das Wort setzt sich zusammen aus meta = nach,um...... ... und..... noein(νοειν)=denken auch hier imperativ plural: denkt um!!
Πιστευετε imperativ plural glaubt, vertraut pisteu-o heißt ich glaube, vertraue, u.a. halten für hier wieder die Pluralendung vertraut(ihr) auf das Evangelium.
ηγγικεν sprich * ängiken* das Wort, worum es bei deiner Frage geht kann aus dem Griechischen wie folgt übersetzt werden, je nach Text:
sich nähern, nahe herankommen, nahe sein, nahe hinzubringen, eine Sache mit einer anderen zusammenbringen,
Was nun deine Frage betrifft, so liegst du in deinen Erläuterungen eigentlich nicht falsch ,(„Einerseits wird ein im Gang befindliches, noch nicht abgeschlossenes Geschehen,...“) denn das Verständnis vom Reich Gottes - wenn man so will eines der meist gebrauchten Jesus-Worte, sein Lieblingwort - das beginnt oder begann mit seinem Kommen und wächst durch den Wirrwarr der Geschichte auf die Vollendung hin. Wie diese Vollendung aussieht, darüber berichtet auch das NT. Im Zusammenhang zum Reich Gottes ist auch ein Auge auf die Gleichnisse zu werfen, die fast schon allein erklären, denn mittlerweile sind über den Begriff Bibliotheken zusammengeschrieben worden.
Fast vergessen: Ich würde bei der Elberfelder bleiben weil, die ist zwar manchmal sperrig zu lesen, aber ziemlich genau am ursprünglichen Text.Das vergleichende Lesen hat auch was für sich, weil ich denke, die Superübersetzung gibt es einfach nicht.
@ erhardgr Ich weiß nicht, aus welchem "Handbuch der theologischen Kommentare" du deinen Text abgeschrieben hast, auf jeden Fall hat der Verfasser keine Ahnung von der Alt-Griechischen Sprache, denn ηγγικεν engiken ist 3.Person Indikativ Perfekt aktiv. Wie der Aorist gebildet wird und wie er dann aussieht könnte ich eben noch aufzeigen, von der Beweislage her verweise ich aber zur folgenden Seite:
Im Grunde genommen sprechen alle Gleichnisse vom Reich Gottes, ich verweise hier zunächst auf den Sämann Mk, 4, 3.8 - vom Wachsen der Saat Mk 4, 26.28 vom Senfkorn MK 4, 31.32 und vom Sauerteig Lk 13, 20.21.Markus schreibt in 10, 15: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind( meint als Geschenk, nicht infantil), wird nicht hineingelangen".Das hat was mit Zukunft zu tun. Nach Jesu Tod ist wird aus Reich Gottes das"Leben" bzw."ewige Leben."
Einige vorangegangene Erklärungen zu den griechischen Begriffen der Evangeliumstexte zeigten hier, dass nicht so sehr eine wortgenaue "Übersetzung" - sondern auch ein Übertragen der Meinung erforderlich wäre.
Wie in Fachgesprächen üblich, wurde der Mittelweg benutzt. Die einen wissen bei dem Begriff ganz genau was damit gemeint wird. Sie reagieren richtig. Andere sagen das gleiche Wort, erklären eine Menge Verkehrtes darum und machen auch verkehrte Ergebnisse. Das Auseinanderzuhalten braucht dann viel Menschenkenntnis und Fachkenntnisse. Meist endet die Unterhaltung erst einmal in viel Frust. Am Wort wird nicht unterschieden. An der Tat zeigt sich der Unterschied.
Nachdem nicht das Griechische die Sprache der biblischen Lehre war, müssen die Recherchen im AT beginnen. Für diese Texte gibt es die uralten Auslegungsregeln. Teile davon werden auch im griechischen Text erklärt. Markus 1 besteht aus ziemlich unterschiedlichen Geschichten, bei denen es seltsam scheint, dass sie in ein Kapitel gefasst wurden. MIT dem Auslegungsregeln erscheint aber ein durchgehender Text. Er hat dann nicht das "zentrale Thema" [Reich Gottes, die Zeit ist erfüllt], sondern handelt ganz allgemein von Lösungsregeln, die man heute als gewaltige Wissenschaft bezeichnen würde. Wenn sie zur Anwendung kämen, wäre das Staunen erst einmal perfekt.
Leider werden (wegen dem übersetzten Text) nur Diskussionen um Himmel und Fegefeuer, Armut und Seelenpein geführt und entsprechende Verunsicherungen herbeigeführt.
Wenn du genau hin liest, dann siehst du, dass diese drei Texte, wenn auch anders formuliert, die gleiche Kernaussage treffen. Zu deiner Frage nach der Übersetzung: Ich würde die Lutherbibel empfehlen.
Dass es nicht schon eingetreten ist ist die Voraussetzung um glauben zu können, es würde noch geschehen. Die Hoffnung darauf ist Voraussetzung des christlichen Glaubens. Die Lutherbibel ist von 1545, die deutsche Sprache ist lebendig, Luther ist tot. Ich bin Gott sei Dank kein Christ.