Ich verfolge gerade auf Phoenix die Bundestagsdebatte, in der es um ein recht heikles und wichtiges Thema geht - allerdings sind erschreckend viele Sitze leer und nur wenige der 612 Abgeordneten anwesend. Kann man das etwa als Indikator dafür sehen, wie sehr sich die gewählten Abgeordneten wirklich für Politik interessieren? Und kann man überhaupt Gesetze und Entscheidungen ernst nehmen, wenn nur ein kleiner Teil der gesetzlich gewählten Volksvertreter überhaupt zur Abstimmung anwesend sind? Anhand der Verteilung derer, die heute da sind, sieht es auch nicht so aus, als seien die Parteien entsprechend der Zahl ihrer Mandate verteilt. Wird das Volk denn dadurch überhaupt angemessen vertreten? Gibt es keine Anwesenheitspflicht für Abgeordnete und sollte man eventuell darüber nachdenken, eine einzuführen, damit das Parlament überhaupt beschlussfähig ist?
Brathaynchen2009-06-19T13:02:37Z
Beste Antwort
Wärest Du selbst Abgeordneter, würdest Du schnell merken, dass Du gar nicht die Zeit hättest, dauernd im Plenum zu sitzen. Das geht unter der Woche von morgens bis oft spät in den Abend. Es finden auch Ausschussitzungen etc statt. Zudem sollte ein Abgeordneter auch arbeiten und nicht nur rumsitzen.
Da die Arbeitszeit von Abgeordneten viel zu knapp für das Plenum ist, haben die Fraktionen ein sog. "Peering-Abkommen" geschlossen. Das bedeutet, dass die Opposition darauf verzichtet, mit alle Mann anwesend zu sein, wenn die Regierungsfraktionen dies auch tun (und umgekehrt). Abgeordnete haben jetzt schon Arbeitszeiten von 60-70 Stunden. Anwesenheitszwang im Plenum würde noch weniger Zeit für Bürgergespräche, Fachausschüsse, Büroarbeit etc. bedeuten.
Zum demokratischen und effizienten Funktionieren eines Parlaments ist es völlig egal, wie viele Abgeordnete im Plenarsaal anwesend sind. Die Debatte im Plenum ist der letzte Schritt im langen Prozess der Gesetzgebung. Wenn dort irgendwas besprochen wird, haben die Abgeordneten das bereits wochen- oder monatelang vorher immer wieder in den Ausschüssen, Fraktionen und öffentlich debattiert und kennen das Thema in- und auswendig. Du kannst dir sicher sein, dass deren Wille umgesetzt wird.
Anwesenheitspflicht und volle Besetzung im Bundestag gibt es nur bei Abstimmungen der Diätenerhöhungen. Da schämen die sich nicht einmal die Säcke.
Doch gibt es schon, aber nicht in allen Fällen, wir leben nun mal in einer Demokratie und keine Diktatur, wo Anwesenheit angeordnet werden kann. Auch haben Politiker andere Termin, meiner Abgeordneter hat z. B. jetzt genau Bürger-Sprechstunde in seinen Büro. Andere haben halt ein Treffen mit anderen.
Und du erkennst es richtig, es ist eine Debatte, keine Abstimmung. Auch unter Politiker gilt, dass diese unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse haben, wenn es jetzt um die Debatte um Kinderpornografie geht, können Abgeordnete, deren Kenntnisse z. B im Bereich Landwirtschaft, StraÃenbau oder Verteidigung sind, sicher nichts sinnvolles zu diesen Bereich sagen, aber es kann durchaus sein, dass diese jetzt in Ausschüsse tätig sind. Denn die meiste Arbeit ist nun mal in Ausschüssen.
Generelles Gemecker nach dem Moto "Politiker sind je alle faul und überflüssig" ist nun wirklich sinnlos.
Die Politiker sind nicht aus Desinteresse bei den Debatten nicht anwesend sondern weil sie Termine haben zB. in den Ausschüssen. Viele Abgeordneten sind als Fachmänner/ Frauen für bestimmte Bereiche im Bundestag. Diese Fachleute beraten die Parteien in ihren Fachgebieten und arbeiten Gesetzesvorschläge oder Parteiprogramme aus.