Ich bin selber politisch aktiv und habe mich mit betroffenen Personen des öfteren selbst ausgetauscht.
Es gab mal folgenden Vorfall im Jahr 1993. Vielleicht ist der Fall auch jemandem aus dem Fernsehen bekannt.
In einer Videothek in Düsseldorf wurde eine Angestellte wegen 300DM in der Kasse auf bestialische Weise ermordet.
Der Täter hat gewartet bis zum Betriebsschluss und hat die Frau, eine alleinerziehende Mutter von 3 Kinder gefesselt, eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und diese mit 30 METER!!! Klebeband um den Hals gewickelt. Die Frau ist qualvoll erstickt. Der Täter ist durch das Hinterfenster geflohen und hat sich dabei den Fuß gebrochen.
Durch Ermittlungen in umliegenden Krankenhäusern wurde der Täter ermittelt. Er war bis zum Prozess 1,5 Jahre in U-Haft. In dem folgenden Prozess wurde er mangels Beweise und auf Grund eines eigenen Alibis (Sowas kannte bis dahin garnicht) freigesprochen. Er hatte angegeben, daß er in der Badewanne ausgerutscht ist und sich deswegen den Fuß gebrochen hat. Für die 1,5 Jahre U-Haft hat er 80.000DM Schadensersatz bekommen. Er wurde für einen Mord, mit dem er 3 Kindern die Mutter genommen hat auch noch fürstlich entlohnt.
10 Jahre später wurde ihm jedoch die Schuld auf Grund von bis dahin neu entwickelter Methoden (DNA Analyse) zweifelsfrei nachgewiesen.
Die Gesetzeslage ist jedoch so, daß ein rechtlich und im Namen des Volkes verurteilter oder freigesprochener Angeklagter nicht erneut für die selbe Straftat belangt werden kann.
Natürlich ist mir klar, daß wenn es eine Änderung dieses Gesetzes eingeführt, zahlreiche Fälle neu aufgewickelt werden müssen. Dennoch würde ich das Vertrauen in unseren Rechtsstaat verlieren, wenn dieser Täter durch einen bestialischen Mord 80.000DM reicher geworden ist und sein Leben in Ruhe weiterführen kann während zeitgleich 3 kleine Kinder um Ihre Mutter trauern.
Selbst wenn das Gesetz geändert werden würde, hätte das keine Auswirkung auf diesen einen Fall. Das Prinzip des Rechtsstaates verbietet es, ein Gesetz auf Fälle VOR dessen Rechtskräftigkeit anzuwenden. Das Gesetz würde sich nur auf neue Fälle auswirken. Einen Akt wie "zahlreiche Fälle neu aufwickeln" wird es nicht geben.
Da das Problem primär darauf zurückzuführen ist, dass heutzutage viele 10-20 Jahre alte Fälle mit neuen Mitteln geklärt werden können, hätte eine Gesetzesänderung einen eher geringen Nutzen, eben weil sie sich nur auf neue Fälle anwenden ließe. Im Prinzip fände ich es allerdings nicht verkehrt, das Gesetz bei schweren Vergehen wie Mord zu ändern.
Edit: Der Vollständigkeit halber hier ein Artikel zu dem Fall: http://www.wdr.de/tv/westpol/beitrag/2006/04/20060430_dna.jhtml
Du hattest/hast Vertrauen in diesen Rechtsstaat?? Das ist merkwürdig. Wieso hast du dein Vertrauen nicht schon längst verloren? Du kannst keine Gesetze ändern und du wirst es auch nie können, obwohl die Mehrheit des Volkes dafür wäre.
Ich wüsste nun allerdings auch gerne, in welchem Gesetz das geschrieben stehen soll, dass ein Verfahren, das einmal abgeschlossen wurde, nicht aufgrund neuer Beweise wieder aufgenommen werden kann. Leider lässt sich der Focus-Artikel dazu nicht aus.
Grundsätzlich halte ich ein solches Prinzip aber nicht für völlig verkehrt. Die Ãberlegung, die dahinter steht, heiÃt "Rechtssicherheit". Man sollte sich schon darauf verlassen können, dass ein einmal gesprochenes Urteil auch Bestand hat. Dieses Prinzip hat auch den Zweck, dass Staatsanwälte nicht nach Herzenslust Leute anklagen können - nach dem Motto "klappt es diesmal nicht, dann ermitteln wir halt weiter und schauen, ob wir nicht doch noch ein paar Beweise finden". Es zwingt die Staatsanwaltschaft dazu, die Ermittlungen ausreichend gründlich zu führen, bis sie ausreichend sicher ist, genügend Beweise für eine Verurteilung zu haben.
Es gab in den letzten Jahren einige Fälle, in denen Verbrechen noch nach Jahrzehnten aufgeklärt und die Täter verurteilt wurden. Im hier geschilderten Fall war die Staatsanwaltschaft offenbar seinerzeit zu voreilig und hat mit unzureichendem Beweismaterial eine Klage eröffnet. Wäre das damals unterblieben, wäre es heute problemlos, dem Verdächtigen den Prozess zu machen.
Insofern finde ich die bestehende Praxis gar nicht so schlecht, auch wenn sie dazu führen mag, dass in (wenigen) Einzelfällen ein Schuldiger straffrei ausgeht.
Ein tragischer Einzelfall, wobei offenbar die Staatsanwaltschaft das von ihr zur Anklage gebrachte Delikt dann letztlich vor Gericht nicht beweisen konnte. Ein heutiges Geständnis des Täter würde ihn jedoch hinter Gitter bringen.
Ja, ich denke das Gesetz gehört geändert. Da es aber dem Witwer der Ermordeten nicht mehr helfen wird, bzw sich nichts am Gesetz ändert, ist seine einzige Möglichkeit den Mörder doch noch vor Gericht zu bringen, ihn hereinzulegen damit er ein Geständnis ablegt (zB im Suff damit prahlt) Nachdem im parteipolitischen Wirrwar keine sinnvollen Entscheidungen bezüglich solcher Gesetzesänderungen zustandekommen können, sollte doch mal wirklich das Volk gefragt werden! Obwohl, dazu bedarf es ja auch erst wieder einer Gesetzesänderung, die dann Volksabstimmungen erlaubt. Und wie wir gesehen haben, sind solche Gesetzesänderungen anscheinend nicht möglich - egal in welcher Parteienkonstellation. Einer ist immer dagegen. Aus welchem Grund auch immer. Das Argument mit den ach so überlasteten Gerichten hat aber ganz andere Ursachen, und da würden solche wiederaufgerollten Fälle wahrlich nicht ins Gewicht fallen. Wenn es nach mir ginge, dann lieber solche grausamen Straftaten wieder aufrollen als diese Unmengen von überflüssigen Verfahren die nur die Anwälte reich machen und überhaupt nur geführt werden weil ja der tyrannische Nachbar eine Rechtsschutzversicherung hat die er für seinen Krieg missbrauchen darf oder ein paar Kids mal Videos und Musik runtergeladen haben.