mytilena
Beste Antwort
Das Motiv des Homunculus ist unter anderem von Goethe in seinem Faust II aufgenommen worden. Im zweiten Akt verhilft Famulus Wagner einem künstlichen Menschen zur Existenz. Wer den Homunculus letztlich geschaffen hat, ist nicht vollständig zu klären. In einem Entwurf vom 17. Dezember 1826 beschreibt Goethe explizit Wagner als Schöpfer des Homunculus, in der endgültigen Fassung fehlt dieser Teil. Der Dichter und enge Vertraute Goethes Johann Peter Eckermann erklärte daher, dass Mephistopheles der eigentliche Schöpfer des Homunculus sei. Endgültig klären lässt sich diese Frage nicht mehr.
Goethe beschäftigte sich außer mit der Dichtung auch mit den Naturwissenschaften. Beispielsweise fand er beim Menschen den Zwischenkieferknochen.
Natürlich wird ihn die Möglichkeit der Erschaffung künstlichen Lebens sehr interessiert haben.
In der Antike stellten sich viele den Homunkulus als kleines Menschlein vor, dass im Körper für den Ablauf bestimmter Vorgänge zuständig ist. Viele Alchimisten waren auch an dem Thema der Erschaffung künstlichen Lebens interessiert.
Fausts alter Schüler Wagner führt die alchemistischen Studien seines Meisters fort und erschafft den Homunculus (kleiner Mann) der in seinem Reagenzglas lebt, da ihm ein echter Körper fehlt.
Homunculus ist ein Wesen aus Feuer, und nach einer Diskussion mit zwei Philosophen entscheidet er, das er sich mit dem Wasserelement verbinden muss um als wirkliches Wesen, außerhalb seiner Glashülle neu geboren zu werden. Ermutigt durch Proteus, den Gott der Metamorphose stürzt sich der Homunculus in die Wellen des Meeres um sich mit der Seenymphe Galatea zu verbinden. Die gläserne Hülle zerbricht und seine feurige Essenz tritt in das Wasser ein.
Diese freiwillige Übereignung an den Ozean (das weibliche Element) die zu einer mystischen Hochzeit und Harmonisierung der Elemente führen, werden später von Faust gespiegelt wenn er mit Gewalt versucht die elementaren Kräfte des Ozeans zu bändigen, was einer Vergewaltigung gleich kommt und unmittelbar zu seinem Fall führt.
Durch die Figur des Homunculus verbildlicht Goethe, das der Weg zu Erleuchtung und Wiedergeburt über Erkenntnis und Akzeptanz des Weiblichen Teils der Seele führt. Fausts Ablehnung seiner weiblichen Seite führt zu all seinen Schwierigkeiten. Er wählt stets Mephisto, den Trickster, seinen Schatten als Führer, der eine sehr maskuline, chauvinistische Perspektive vertritt. Faust projeziert seine Anima immer nach aussen, zuerst auf Gretchen und dann auf das Bild der Helena.
niskibell
Vielleicht ist auch noch interessant , dass die Figur des Homunculus auf den Prager Golem- Legenden um Rabbi Löw aufbaut- der erste Auftritt eine künstlichen Menschen in der Literatur.
Die Schaffung eines künstlichen Menschen bedeutet auch meistens Hybris und Anmaßung des menschlichen "Schöpfers", der sich in diesem Schöpfungsakt an die Stelle Gottes setzt. Deswegen überleben diese Wesen in Geschichten auch meistens nicht, stellen einen Makel oder eine Unvollständigkeit in ihrer Existenz fest und zerstören sich selbst.
Indamo
Es ist möglich, die Idee des Homunculus durch Goethes Naturphilosophie zu erklären. Goethe war der Meinung, dass es einen besonderen Lebenssaft gibt, der allen Lebewesen zukommt und organisches und anorganisches Material grundsätzlich voneinander trennt. Man nennt eine solche Position Vitalismus. Im Rahmen dieser Theorie ist die Schaffung von Lebewesen aus anorganischem Material nicht denkbar. Wenn jedoch, wie bei der Erzeugung von Homunculi, organische Materialien ins Spiel kommen, ist die Erzeugung von künstlichen Wesen grundsätzlich denkbar. Schon bei Goethe ist das Motiv des Homunculus mit der Idee einer erfolgreichen Naturwissenschaft verknüpft.