was sind vor- und nachteile, wenn die leipziger stadtwerke verkauft werden?

2008-01-10T12:31:28Z

@ miramar: wegen dem anstehenden bürgerentscheid frag ich ja ;)

emibrd2008-01-12T06:17:32Z

Beste Antwort

Der einzig nennenswerte
"Vorteil"
des Verkaufs/Privatisierung ist dass der Stadtkasse Leipzig kurzfristig zur Schuldentilgung Mittel zufließen. Es handelt sich also um eine einmalige Einnahme.


Die
Nachteile
sowohl kurzfristig als auch langfristig sind jedoch erheblich.
- Der Verkauf von kommunalen Eigentum bedeutet gleichzeitig eine Enteignung der Bürger. Es handelt sich um kommunales Eigentum und damit um Eigentum aller Bürger welches in der Regel zu Dumpingpreisen, unter Wert, verschleudert wird.
- Zusätzlicher Wettbewerb entsteht nicht welcher zu Kostensenkungen führt da der/die Käufer vermutlich Energiekonzerne oder deren Tochtergesellschaften sind. Deren monopolistisches Verhalten ist hinreichend bekannt.
- In keinem der Fälle von Privatisierungen wurden Preisreduzierungen erzielt, vielmehr waren die Folge erhebliche Preiserhöhungen.
- "Private Eigentümer" handeln nach dem Motto der Gewinnmaximierung. Dies bedeutet dass Gewinne an die "privaten Eigentümer abgeführt werden. Der Kommune entgehen damit mittel-, und langfristig Einnahmen. Nicht alle kommunale Einrichtungen sind Zuschussbetriebe) Diese fehlenden Mittel müssen durch die Bürger über erhöhte Abgaben oder Reduzierung von Leistungen ausgeglichen werden.
- Die Erfahrungen aller Privatisierungen haben aufgezeigt dass Instandhaltung und Ausbau solcher Versorgungseinrichtungen auf niedrigsten Niveau, zur Aufrechterhaltung der Gewinnmaximierung, vorgenommen werden. (Siehe Beispiel: Instandhaltung Gleisnetz Bahn, Überlandleitungen Strom etc.)
- Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge (Energie, öffentliches Transportwesen, Schulen, Krankenhäuser etc. gehören nicht in "private Hände" da diese sozialen Gesichtspunkten und Zielen unterliegen. Folge ist dass soziale Gesichtspunkte außen vor bleiben und immer mehr "Minderbemittelte" aus finanziellen Gründen von der Nutzung ausgeschlossen, oder aber zumindest benachteiligt werden.
- Den Bürgern, über deren politische Vertretung (Gemeinderat etc.), wird jede Einflussnahme entzogen welche sich auf den Erhalt, Ausbau, Versorgungsschwerpunkte solcher kommunaler Einrichtungen richtet. Dies ist als Fakt einer Entdemokratisierung/Entzug vom Mitspracherechten gleichzusetzen.
- Sollte eine solche privatisierte Einrichtung pleite gehen muß, um die Versorgung aufrecht zu erhalten, die Kommune dann wieder finanziell einspringen, was mit erheblichen Kosten verbunden ist und deutlich über dem erzielten "Verkauspreis" liegt. (aktuelle Beispiele aus Großbritannien - Metro London, Gleisnetz GB - zeigen dies)
- Gerade kehren eine Reihe von Kommunen wieder zu einer Rekommunalisierungen solcher Einrichtungen zurück da die erhofften Effekte ausgeblieben und die Nachteile deutlich sichtbar geworden sind. Weshalb muß Leipzig solchen Fehler erst selbst erfahren ?
- Leider hat sich auch herausgestellt dass hinter Privatisierungen auch ein erhebliches Potential an Korruption gegeben ist. Politiker welche zu solchen "Massnahmen" ihr Einverständnis gegeben haben tauchen dann in Vorständen und Aufsichtsräten dieser privatisierten Einrichtungen (oder deren Muttergesellschaften) auf und erhalten beträchtliche "private" Zuwendungen.
- Umweltschutz wird von solchen privaten Eigentümern unter dem Vorwand nicht ökonomischer Gründe überhaupt nicht betrieben bzw. gefördert, und wenn angeblich doch, dann mit erheblichen Preissteigerungen welche dann vorrangig der Gewinnmaximierung dienen.
- Im Fall von Havarien, Neuanschlüssen werden erheblich höhere Gebühren und Kosten anfallen da auch bei solchen "Serviceleistungen" Gewinnanteile mit einkalkuliert werden.
- Zur Kostenreduzierung und Gewinnmaximierung wird Personal entlassen und Arbeitsplätze abgebaut und gleichzeitig auch noch Lohndumping betrieben. Die "Einspareffekte" werden jedoch nicht an den Kunden weitergeben sondern ebenfalls zur Gewinnmaximierung verwendet.

Gegen eine "Privatisierung" sprechen daher viele Gründe da keiner der versprochenen Effekte, besserer Wettbewerb, niedrigere Preise, verbesserte Versorgung usw. eingetreten sind. Im Gegenteil, genau entgegengesetzte Folgen sind aufgetreten. Bei den vorgenannten Ausführungen handelt es sich nicht um Vermutungen sondern um Tatsachen. Genau diese Erfahrungen mußten Bürger aller Komunen machen in denen exzessive Privatisierung betrieben worden ist.

Nochmals, Einrichtungen der öffentlichen Daseinsfürsorge
Wasserwirtschaft, Müllabfuhr, Krankenhäuser, öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Energieversorgung (Strom/Gas), Schulen/Universitäten, Sparkassen, sozialer Wohnungsbau etc. gehören nicht in private Hände. Damit wird kein Wettbewerb aufgebaut sondern, nach den bisherigen Erfahrungen abgebaut. Es ist ein Märchen dass es Private in diesen Bereichen "besser können". Besser ja, aber nur zur Gewinnmaximierung der Privaten und zum Nachteil der "Bürger".

Am Ende verbleiben in öffentlichem Eigentum nur noch abslute Zuschussbetriebe die nicht durch Einnahmen aus "rentablen" kommunalen Unternehmen quersubventioniert / bezuschußt werden können und der Bürger hat die Kosten zu tragen, nach dem Motto: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

1. Nachtrag
Zu jedem der genannten "Nachteile" bin ich bereit konkrete, nachprüfbare Beispiele zu nennen.
2. Nachtrag
Hamburgs Bürgermeister,Ole von Beus, hat öffentlich zugegeben dass der Verkauf der Stadtwerke Hamburg ein Fehler war.
3. Nachtrag
Forsa-Umfrage zu Privatisierung
Aus dem Inhalt:
"Zusammenfassung
-->Die Erfahrungen der Bürger mit Privatisierungen sind eher negativ als positiv.
--> Weitere Privatisierungen werden immer kritischer gesehen.
-->Hätte die staatliche Bürokratie ein besseres Image, würde die Akzeptanz von Privatisierungen noch geringer werden."
Nachtrag - Artikel zu Einkommen aus

Anonym2008-01-11T11:57:52Z

das ganze land wird verkauft..
wer gibt denn sowas in auftrag??
der staat hat eine versorgungspflicht,
aber diese huren der hochfinanz leifern uns diesen heuschrecken aus....
für mich ist das hochverrat und meineid....

Anonym2008-01-11T10:29:44Z

Die werden dann - wie bereits die Post - eingeordnet ins kapitalistische Profitsystem. Gewinnemachen ist dann oberstes Gebot.

Kutte2008-01-10T21:59:35Z

Es ist eine gleich bleibende Debatte: Wer bietet bessere Dienstleistungen, die Öffentliche Hand oder die Privatwirtschaft?

Fest steht, dass das oberste Ziel eines privat geführten Unternehmens die Endsumme unter'm Strich, der Profit, ist.
Dies garantiert jedoch nicht immer, dass dies zum Vorteil des Benutzers betreffender Leistungen oder Produkte geschieht. Besonders dann, wenn es an Reisemittel fehlt, wie zum Beispiel einer Konkurrenz.

Kutte

Homo Bavaricus2008-01-10T20:59:49Z

Wenn es einen wirklich freien Markt und Wettbewerb gäbe, könnten sich Preisvorteile ergeben. So aber, Dank des Energiekartells, wird das Stadtsäckel gefüllt und der Bürger zahlt die Zeche.

Weil 'Kutte' gerade die Qualität der Produkte anspricht. Da macht es keinen Unterschied ob öffentlich oder privat.
Bei den einen kann die Profitgier qualitätsmindernd sein und bei den anderen das behördliche Denken ohne Leistungsdruck.
Wichtig ist die Konkurrenz. Erst sie veranlaßt den Anbieter einer Ware etwas zu verbessern.
Wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlt, ich arbeite selber im öffentlichen Dienst.

Nachtrag:
Nur nochmal zur Verdeutlichung. Ich selbst lebe im Einflußbereich der Stadtwerke München. Die Geschäftsform ist zwar eine GmbH, aber nicht privatisiert, also im Besitz der Stadt München. Statt aber zu Wohl der Bürger zu handeln und eine bezahlbare Grundversorgung zur Verfügung zu stellen, gehören die SWM beim Gas zu den teuersten Versorgern Deutschlands. Anders sieht es im Bereich Telekommunikation aus. M-net, Ableger der SWM, der Komplettanschlüsse anbietet (also kein Reseller), ist sehr günstig und bietet obendrein auch noch einen guten Kundendienst. Der einzige Grund dafür ist, dass dieser Markt hart umkämpft ist. Das Wichtigste für den Bürger ist also das Vorhandensein von Konkurrenz.

Ergo: ich gebe keiner der beiden Möglichkeiten den Vorzug. Der Bürger zahlt so oder so dabei drauf. Die einen stopfen Finanzlöcher im Stadthaushalt, die anderen bereichern die Aktionäre.

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