Wieso kann das menschliche Gehör eine bekannte Stimme aus völligem Stimmengewirr (Party etc.) heraushören?
Hat bestimmt jeder schon mal erlebt: Wir sind von murmelnden Menschen auf einer Party umgeben, aber plötzlich hören wir eine vertraute Stimme und können diese lokalisieren und sogar verstehen, wo vorher nur unverständliche Sprachfetzen waren.
Warum ist das so?
Devi2007-04-02T06:01:16Z
Beste Antwort
Weil das Gehirn selektiert:
Die ganze einprasselnde Flut von Infos wird gefiltert und nur ein geringer Teil dringt überhaupt in dein Bewußtsein.
Eine bekannte Stimme wird bei dieser Filterung erkannt und daraufhin in dein bewußtes Wahrnehmen verschoben anstatt in die ewigen Jagdgründe - und voila - du hörst sie raus!
Hören tust du eigentlich alle Geräusche - ebenso wie die schlafende Mutter, der der am Fenster vorbeifahrende Laster nichts anhaben kann, wohl aber beim geringsten leistesten Mucken ihres Kindes aufschreckt. Das heißt, im Grunde hörst du alle Stimmen, aber da dein Gehirn keiner Stimme besondere Aufmerksamkeit schenkt, verschwimmen die Stimmen zu einer Art Hintergrundrauschen - oder deine "Spachfetzen" ;-) Erst wenn dein Gehirn entscheidet, daß eine Info (in dem Fall etwas gehörtes) wichtig ist, z.b. weil dieselbe Info oder damit verknüpfte bereits im Gedächtnis vorhanden sind, wirst du sie erst dann bewußt wahrnehmen.
Bis jetzt wird das WIE erklärt, aber nicht das WARUM das so ist...und du fragst nach dem WARUM, richtig ? Der Grund dafür ist das wir, so wie alle andere Tiere, evolutionsbedingt alle Mitglieder des "Clans" erkennen müssen (Familie, Verwandte, Freunde, des Freundes Freund etc.) nicht nur durch ihre Stimme sondern auch durch Gang und Geruch: das erhöht unser Uberlebenschancen wenn wir sie dann WIRKLICH brauchen. Betonungen und Akzente spielen hier eine sehr wichtige Rolle, dadurch erkennen wir wer uns feindlich gegenüber steht bzw. wer uns schaden könnte. Es ist deshalb unmöglich mit jemandem befreundet zu sein dessen Stimme wir nicht als angenehm genug empfinden, weil wir nur Mitglieder des Clans vertrauen können die uns ihre Bereitschaft gezeigt haben, durch ihre Stimme u.a. Männer die Frauen mit kreitschender Stimme heiraten, hatten höchstwarscheinlich eine Mutter oder eine Verwandte mit so einer, die sie damit vor Gefahren warnten; Frauen mit Whisky-Voice erinnen uns an Vater, den Rudelführer.
Gehörte Laute kann unser Gehirn abspeichern. Es trennt akkustische Signale von gesprochenen Strukturen. Das Gehirn personifiziert Stimmen nach Charakter, Laut, Muster, Höhen und Tiefen und der Geschwindigkeit.
Einerseits, die in der Psychoakustik bekannte Cocktail-Party-Effekt. Blickt (auch mit verbundenen Augen) man in unruhiger Umgebung in Richtung eines Sprechers, so kann das menschliche Gehör bis zu ca. 10 dB leisere Geräusche aus dem (lauten) Hintergrundgeräusch heraushören. Entscheident scheint dabei der nicht vorhandene Laufzeitunterschied (interaural time difference) zwischen linkem und rechten Ohr zu sein. Bei einer Tonaufnahme mit zwei Mikrophonen im Ohrabstand und Blickrichtung auf den Sprecher würde man , wenn man beide Signale kreuzkorreliert, ähnliche Ergebnisse erhalten. Randbemerkung: In der Singalverarbeitung ist man in der Lagen, mit n-Mikrophonen n-Sprecher zu trennen, wobei die Sprache klar zu erkennen ist, jedoch die Stimme etwas verzerrt ist.
Der andere Effekt der zum tragen kommt, ist die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, lückenhafte Information zu ergänzen. Etwa 70% Silbenverständlichkeit genügen, um den vollständigen Inhalt von Sprache zu verstehen. Bei bekannter Ausdrucksweise genügt auch weniger. Daher ist es nicht die bekannte "Stimme", sondern die bekannte "Ausdrucksweise", die zu einem besseren Verständnis führt. Der bekannte Klang bewirkt auch, dass man sich dem bekannte Sprecher (unbewusst) zuwendet und damit den Cocktail-Party-Effekt ermöglicht.
Mit zunehmenden Alter verändert sich die Signalleitung zwischen beiden Ohren. Ein Hinweis auf beginnende Alterschwerhörigkeit ist, dass man in Menschenansammlungen nichts mehr versteht, ansonsten aber noch gut hört. Ein binaurales Hörgerät, wie z.B. an der Ruhr-Uni in Bochum entwickelt, würde in solchen Fällen helfen, ein monaurales nicht.