Ist es nicht unglaublich nachteilhaft für Intellektuelle, dass sie heute nicht mehr so vielseitig sein können?
Ich meine, früher gab es noch "Universalgenies". Da konnte man auf allen Gebieten ein wenig rumspekulieren, wenn man ein wenig Ahnung hatte. Da konnte man philosophieren, Romane und Theaterstücke schreiben, Physikalische Gedankenexperimente durchführen und biologische Erkenntnisse durch beständige wissenschaftliche Arbeit gewinnen. UND DAS ALLES ALS EINE PERSON. Heute kann man als erfolgreicher, intellektueller und intelligenter Buchautor nicht einfach plötzlich mit der Kernphysik anfangen, sondern braucht dafür erst paar Jahre Studium derselben, um diese richtig zu verstehen. Früher war es einfacher. So hat z.B. Goethe auch Naturwissenschaft betrieben - klar, denn soviel "Grundwissen" brauchte man zu seiner Zeit dafür nicht. Die Frage nochmal: Ist es nicht unglaublich nachteilhaft für Intellektuelle, dass sie heute nicht mehr so vielseitig sein können?
perdü2007-01-28T13:21:07Z
Beste Antwort
Wenn ich davon ausgehe, daß Du Intellektuelle mit Wissenschaftlern gleichsetzt, trifft Deine Vermutung nicht ins Schwarze. Denn das Betreiteben etlicher Wissenschaften setzt profunde Kenntnisse anderer Disziplinen voraus. Was wäre ein Historiker ohne die Paläographie (Handschriftenkunde), Linguistik (Sprachwissenschaft), Heraldik (Wappenkunde) etc. oder ein Antrhopologe ohne Geologie, Ökologie, Physik usw. Es ist jedoch in der Tat so, daß man sich auf ein Gebiet spezialisiert und die anderen zweckgebunden und "mit Scheuklappen" mitlernt. Einen Rudolf Virchow, der als letzter deutscher Universalgelehrte gilt, wird es wohl kaum noch geben. Wirkliche Spitzenforschung kann man - wenn überhaupt - nur noch in einem Gebiet betreiben. Ob das ein Nachteil ist, kann ich nicht wirklich beantworten. Denn ohne wie Wissens-"explosion" der letzten Jahrzehnte wäre vieles nicht möglich gewesen - und sei es der kleine mp3-Player.
Nein, das finde ich nicht! Ich bin sehr vielseitig. Auch heute noch kann man in vielen Wissensgebieten zu hause sein! Alles eine Frage eines offenen Geistes. Man muss halt Generalist sein, nicht Spezialist. Sozusagen ein Zehnkämpfer der Erkenntnis! Es ist möglich und auch sehr spannend, sich einen universellen Geist zuzulegen und in alle Richtungen offen zu sein... und natürlich braucht man kein Studium, um Kernphysik ausreichend zu begreifen ( verabschiede dich von der Vorstellung, dass man Spezialist sein muss). Und zu Gothes Zeit war der Unterschied nicht weniger Wissen, sondern ein anderes Ideal, was aus der Antike stammt! Das Ideal des Wissenden Generalisten, der in vielen Gebieten gebildet war. Heute haben wir das Ideal des Spezialisten, der von immer weniger immer mehr weiss, bis er von nichts alles weiss! ;-)
Man kann sich nach wie vor mit mehreren Themengebieten beschäftigen, nur ist es nicht mehr möglich in allen zu der Elite dazuzugehören. Insofern ist es weder ein Nachteil noch ein Vorteil. Es sei denn man braucht den Ruhm ein Universalgenie zu sein. Und man sollte sich auch nach wie vor als Interlektueller mit möglichst vielen Themen beschäftigen, damit man sein Spezialgebiet gut in die Wissenschaft/Kunst eingliedern kann. Und vielleicht verliert der eine oder andere den spass daran, weil er nicht oben mitspielen kann. Ich persönlich finde es schade, dass man sich nicht mit allen oder vielen Sachen wirklich beschäftigen kann. Es gibt soviele Bereiche die interessant sind und am liebsten würde ich alles machen. Aber das was man nicht beruflich macht kann man ja privat machen. Was ich eher als Nachteil sehe ist, dass die freie Forschung von damals nicht mehr möglich ist. Viele Forscher hatten entweder viel Geld oder brauchten für ihre Forschungen kaum Geld. Die heutige Forschung ist sehr teuer und deswegen braucht man Spender und dann kann man wiederrum nicht danach forschen was man möchte, sondern muss Kompromisse eingehen. Nur die Kunst, die ist so brotlos geblieben wie immer.