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Sind Grimms Märchen überhaupt zumutbar?
Ich habe heute mein gutes altes Märchenbuch rausgekramt, aus dem mir meine Großmutter früher immer vorgelesen hat - und ich war mehr oder weniger entsetzt. Mir ist zum ersten Mal aufgefallen wie brutal die Originalmärchen sind (also nicht die Disney-Version). Besonders z.B. bei der "Gänsemagd", wo die böse Dienerin am Ende in ein Fass gesteckt wird, welches von innen mit Nägeln beschlagen ist und dann mit Pferden über den Asphalt gezogen wird... Dagegen wirkt das Happy End des Prinzen und der Prinzessin ja total blass. Fällt Kindern so etwas nicht auf? Haben sie zu wenig Vorstellungskraft dafür? Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich den Kindern, auf die ich derzeit aufpasse so etwas vorlesen soll.. Geht's nur mir so?
Klar habe ich Märchen früher geliebt, und ich ziehe sie auch heute noch anderen Kinderbüchern vor. Mir ist diese Gewalt tatsächlich nie aufgefallen und ich frage mich, woran das denn liegt...
@Radioreinhard: Ich weiß, dass diese Märchen schon "entschärft" wurden. Ich wolltte sie durch diese Formulierung lediglich von den Disney-Heile-Welt-Storys unterscheiden...
23 Antworten
- rayLv 4vor 1 JahrzehntBeste Antwort
Ein Märchen „nimmt existentiellen Ängste sehr ernst und spricht sie unmittelbar aus: das Bedürfnis, geliebt zu werden, und die Furcht, als nutzlos zu gelten; die Liebe zum Leben und die Furcht vor dem Tode (…)"
Heute wachsen die Kinder nicht mehr in der Sicherheit einer Großfamilie oder in einer festgefügten Gemeinschaft auf. Deshalb ist es heute noch wichtiger als zu der Zeit, da die Märchen entstanden, das Kind mit Helden zu konfrontieren die ganz allein in die Welt hinausziehen müssen und die, obwohl sie ursprünglich nichts von den letzten Dingen wissen, einen sicheren Platz in der Welt finden, wenn sie mit tieferen Vertrauen ihren Weg gehen“. (Bruno Bettelheim, „Kinder brauchen Märchen“).
Kinder brauchen Märchen, weil die Kinder manchmal sogar intensiver als Erwachsene nach Sinn suchen und alles hinterfragen. Und was wir Erwachsenen uns sofort als blutige Szenen der Gewalt vorstellen, empfindet ein Kind rein symbolisch!
Es ist sehr wichtig, dass die Originalfassungen, und nicht die "entschärfte" Versionen dem Kinder vorgelesen werden. Dass Dir diese Gewalt in Märchen früher nicht aufgefallen ist, hat eine simple Erklärung - die Wahrnehmung der Kinder und eines Erwachsenen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Man wird bei kleineren Kinder auch schnell feststellen, dass sie ihre Lieblingsmärchen immer wieder hören müssen und manchmal kennen sie sätzeweise auswendig!
Ich hätte gern noch mehr dazu geschrieben - die Frage finde ich sehr interessant - leider muss ich jetzt meine Tochter von der Schule abholen. Ich empfehle Dir wärmstens beide Bücher von Bruno Bettelheim, „Kinder brauchen Märchen“ und „Kinder brauchen Bücher“. Mich interessiert die Kinderliteratur und Leseförderung, ich habe meine Diplomarbeit über Bibliotherapie und Lesekreis der Sorgenkinder geschrieben.
LG
- vor 1 Jahrzehnt
Hat doch früher auch nicht geschadet!
Es sind ja nicht umsonst MÄRCHEN.
Wieso den Kindern heile Welt und die Teletubbies vorspielen, wenns auch traditionell geht. Hast du einen Schaden von den Märchen bekommen? Ich denke nicht! Solche Märchen sind gut! Rotkäppchen oder so! Ganz klare Botschaft -> vertraue Fremden nicht!
Ist doch viel besser als die ganze Kinderverblödung von heute (Spongebob, Teletubbies, Pokemon oder so ein Zeugs)
Traditionen sollten bewahrt werden, sonst sterben sie irgendwann aus...
- ?Lv 7vor 1 Jahrzehnt
Die Märchen dienten Generationen zum Unterscheiden von Gut und Böse. Kinder lernen daraus sehr viel, JEDES Märchen beinhaltet Grundeigenschaften, die jedem kleinen Menschen zur Vorsicht dienen sollen.
Schau Dir nur das Märchen von dem Paulinchen an, die mit dem Feuer spielt, obwohl es ihr untersagt wurde!!
Oder Goldtaler, soll man nicht teilen, wenn man zuviel hat..und anderen abgeben?
Der Zappelphillipp ..
oder Hans guck in die Luft??? wer immer nur nach oben schaut.....sieht unten nicht, worüber er stolpert.
Diese Märchen sind nicht übertrieben, sondern haben SINN!!
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- piekelieseLv 6vor 1 Jahrzehnt
Ich gebe Caro 100% Recht.
Du schreibst selbst "dein gutes altes Märchenbuch"...
Märchen dienten früher tatsächlich als das, was wir heute Horrorgeschichten nennen. Zum Beispiel auch Struwwelpeter. Aber mal ehrlich, wir haben diese Geschichten als Kinder geliebt, manchmal waren sie auch gruselig, aber geschadet haben sie nicht! Im Gegenteil, wir erinnern uns, also ist davon auch etwas hängen geblieben, und zwar positiv. Warum sollte das heute nicht mehr zumutbar sein? Ich denke auch, dass die Kinder größerem Horror durch so manche TV-Programme ausgesetzt sind. Das schlimmste dabei sind die vielen bunten und bewegte Bilder, viele Kinder kennen heute keine Bücher mehr...die Sprache der Phantasie. Sie werden mit bewegten Bildern überhäuft und können sich nicht mehr Konzentrieren auf das Zuhören und ihre eigene Phantasie.
- erhardgrLv 7vor 1 Jahrzehnt
Märchen wie die, die die Brüder Grimm gesammelt haben (von der "Viehmännin" im Dorf Niederzwehren in Hessen, heute ein Stadtteil von Kassel), waren in den alten harten Zeiten eine Vorbereitung der Menschen auf die Realität des Lebens. Allerdings wurden sie an den Winterabenden in den Spinnstuben erzählt, wo die weibliche Dorfjugend zusammenkam, und nicht kleinen Kindern vor dem Einschlafen.
- BadenixeLv 7vor 1 Jahrzehnt
Deine Frage erinnert mich mal wieder an den im Internet kursierenden Rundbrief "an alle, die vor 1978 geboren sind". Solltest Du ihn noch nicht kennen, lohnt es sich, danach zu suchen. Er ist sehr erhellend.
Aus den heutigen in Watte gepackten und in den Glasschrank gestellten Kindern einmal lebenstaugliche Menschen zu machen, dürfte eine schwierige Aufgabe werden. Wir sollten vielleicht mal diskutieren, ob das was mit der hohen Gewaltbereitschaft der heutigen Jugend zu tun hat.
- Anonymvor 1 Jahrzehnt
Nur zur Information: Du hast sicherlich NICHT den Originaltext gelesen, denn Grimms Märchen wurden bereits unter Kaiser Wilhelm II "entschärft". Es ging durchaus noch sehr viel heftiger zu, da wurde nicht nur gemordet, sondern auch rumgehurt und rumperverst.
Sei froh, dass es heute nur die "kindgerechten" Versionen dieser Märchen gibt.
Übrigens: Ich bin auch mit Märchen aufgewachsen, und ich habe merkwürdiger Weise noch keinen Besuch beim Beklopptendoktor gebraucht. Deine Kinder werden es also unbeschadet überleben.
- irmela_pLv 6vor 1 Jahrzehnt
Märchen waren eigentlich nie für Kinder gedacht, sondern entstammen einer Zeit, als man noch kein TV etc. hatte, sondern sich Märchen erzählte. Vieles aus den Grimms Märchen hat Symbolcharakter und ist wiederkehrend in den verschiedenen Märchen. Da haben sich schon Psychologen und auch Strafrechtler herangewagt und analysiert.
http://p8277.typo3server.info/124.html
Ich persönlich liebte das Märchen vom Sterntaler und habe immer geweint, wenn ich es vorgelesen bekam. Dabei wollte ich es unbedingt auch immer hören...
mein Sohn hatte vom ersten Vorlesen an Probleme mit Hänsel und Gretel. Aber auch er wollte es eine Zeit lang jeden Abend hören und schlief dann schlecht... das als Grund fiel mir selbst erst später auf..
wenn man mal Märchen und Analyse googelt, kommt man zu den Hintergründen.
Grimms Märchen sind eigentlich nicht für Kinder geeignet, weil auch nicht wirklich für sie geschrieben.
Nichts desto Trotz haben Märchen eine wichtige Funktion, der man mit dem Vorlesen allein nicht gerecht werden kann. Man muss erklären können...
ich würde heute auch eher die "Geschichte vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf dem Kopf gemacht hat" vorlesen - so mit fünf aufwärts... und erst viel später die Grimms Märchen auspacken.
- VeilchenLv 4vor 1 Jahrzehnt
Kinder identifizieren sich immer mit den Gute und Schöne ! Sie wollen doch immer Prinzessin , Prinz oder Ritter sein ! Sie haben Mitleid mit den Armen und Verlierern !