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Ist die Aussage „Ich weiß nichts“ mehrdeutig oder widersprüchlich?

Ich behaupte: Nein. Subjekt (Ich) und Prädikat (weiß) geben vor, dass das darauffolgende Objekt Wissen darstellt bzw. darstellen soll. Dieses (semantische) Objekt (nichts) negiert dann aber die positive Intention von Subjekt & Prädikat, so dass dadurch der Satz ein reines Nichtwissen (auch auf sich selbst bezogen) aussagt und nicht etwa zu verstehen ist "ich weiß (etwas), nämlich: nichts". Der Satz "ich sagte nichts" bedeutet ja auch, dass wir nicht-sagten und nicht, dass wir sagten: nichts.

In meiner Freizeit bin ich Vorsitzender eines kleinen Zirkels, der sich mit human-philosophischen Fragestellungen und den Problemen der Jetztzeit befasst. Eure philosophischen Stellungnahmen möchte ich auf unserem nächsten Kolloqium Ende Januar vorlegen…

17 Antworten

Bewertung
  • vor 1 Jahrzehnt
    Beste Antwort

    "Ich weiß nichts" ist zunächst eine Äußerung; sie muß nicht notwendig als eine Aussage verstanden werden. Sie kann - wie Mutter Schagalla richtig bemerkt - auch als Behauptung fungieren (denn wir kennen den situativen Gesprächskontext nicht, in welchem dieser Satz geäußert worden ist).

    Doch verstehen wir diese Äußerung einmal als eine Aussage; so bezweifle ich, ob sie mit Aussagen wie "Die Tasse steht auf dem Tisch" oder "Die Tasche ist leer" gleichzusetzen ist (auch der Satz "Der Teppich ist schön" gleicht - der Form nach - einer Aussage, ist jedoch keine, weil es nur schwerlich zweifelsfrei zu prüfen sein wird, ob "Der Teppich ist schön" wahr oder falsch ist).

    (Vorab noch: Deine Analogie mit "ich sagte nichts" ist irreführend, da die Bedeutung von "sagen" die verbale Artikulation umfaßt, so daß die Äußerung: "Ich sagte nichts." zweideutig sein kann; in graphischer Form können wir jedoch leicht Eindeutigkeit herstellen: (1) "Ich sagte nichts." (2) "Ich sagte: >Nichts.<" -- Verbale Artikulierung jedoch gehört nicht zum Bedeutungsumfang des Verbs "wissen". So daß eine ähnliche Zweideutigkeit bei "ich weiß nichts" nicht aufkommen kann. Der Satz "ich weiß etwas, nämlich: nichts" allerdings kann zweideutig aufgefaßt werden: (1) Jenes ominöse, auf das Wissen bezogene Etwas ist das "nichts" -> Kontradiktion. (2) Oder jenes "etwas" kann lediglich als Leerstelle angesehen werden, die sprachlich mit "etwas" ausgefüllt wird, und das "nichts" soll als in die Leerstelle eingefügt gedacht werden; in etwa: "ich weiß ______" - und nun fülle das ein, was du weißt! "Nichts" - aber dies liefe wiederum auf eine Kontradiktion hinaus, da die Aufgabe forderte: "fülle ein, was du weißt!" Wir dürften also gar keine Aufgabe stellen, sondern "ich weiß ______" einfach so belassen, in der Hoffnung, die entsprechende Person werde wissen, was sie mit jener Lücke anzufangen hat! (-> Kontradiktion!))

    Wird die Äußerung "ich weiß nichts" als Aussage verstanden, dann müssen wir - für eine logische Analyse - von der natürlichsprachlichen Negation absehen und jene Aussage reformulieren: "Es ist nicht der Fall, daß ..."

    Nun stellt sich das Problem, daß wir auch hier wieder eine Leerstelle füllen müssen (wir müssen uns um diese Leerstelle Gedanken machen). Denn "Es ist nicht der Fall, daß ich weiß." ist nicht akzeptabel. Aber "Es ist nicht der Fall, daß ich etwas weiß." würde zu den genannten Kontradiktionen führen.

    "Ich weiß nicht, ob sich in diesem Glas Wasser befindet." ließe sich leicht verstehen: Wir können hier ersehen, wie eng im Grunde die Verbindung ist zwischen dem "Zustand" des Wissens selbst und dem "Inhalt" des Wissens (jene Leerstelle). Aber immerhin ist diese Äußerung schon eher als Aussage zu werten, denn wir könnten zurückfragen: "Warum weißt du es nicht?" Und der andere müßte nun seine Gründe nennen (z.B: könnte die klare Flüssigkeit auch Wodka sein - nehmen wir an, er hätte noch nicht an der Flüssigkeit gerochen oder von ihr gekostet).

    Auf den Satz "ich weiß nichts" aber zurückzufragen: "Warum (nicht)?" würde ins Leere laufen (denn immerhin die Gründe für sein Nicht-Wissen müßte er wissen; da er aber gar nichts weiß ...) - Jenes Nichts ist der Einbruch der Wirklichkeit, die Nacht ohne Dunkelheit ... Alles und Nichts, wie Botho Strauß einmal schreibt, das seien die "Rauschwörter des Imbezilen".

    Wenn der Wind Schnipsel mit einzelnen Buchstaben darauf in die Reihenfolge weht, die ergäbe: "ich weiß nichts" - würden wir ihm glauben? - Diese Frage ist sinnlos, da wir annehmen müßten, der Wind wolle uns nichts mitteilen. (Es sei denn, wir hängen einer mystischen Naturauffassung an, die den Wind als beseelten Geist o.ä. betrachtet.)

    Jemand aber, der sagt: "ich weiß nichts", weiß zumindest, wie er sich der deutschen Sprache zu bedienen hat, welche Wörter er verwenden muß, wie er sich einem anderen Menschen mitteilt und er muß wissen können, daß der andere seine Worte versteht, sonst dürfte er nicht erwarten, daß der andere versteht, was er sagt ...

    Das führt mich zu der These: In der Kommunikation gibt es kein "Nichts-wissen" - gar nichts zu wissen, würde es mit einschließen, auch nicht zu wissen, wie man jemand anderem diesen Umstand mitteilt!

  • vor 1 Jahrzehnt

    Aussagen bekommen ihren Sinn immer in einem Kontext. Sinn entsteht nicht nur dadurch, dass jemand etwas Sinnvolles sagt, sondern auch dadurch, dass jemand etwas Sinnvolles versteht. Was nun vorliegt, kann nur im Dialog festgestellt werden. Ob die in der Frage formulierte Aussage mehrdeutig oder widersprüchlich ist, kann subjektiv mit ja und nein beantwortet werden. Um sie in einem objektiveren Sinn beantworten zu können, ist ein Gespräch mit mehreren nötig. Dafür ist sie allerdings ein guter Einstieg.

  • vor 1 Jahrzehnt

    Ja.

    Weil hier erstmal das "ICH" definiert werden müsste, das diese Aussage trifft.

    Es geht hier ja nicht um eine grammatische(vormals grammatikalische) Standortbestimmung, sondern um eine fundamental-evolutionäre Aussage.

    Wer ist das ICH?

    Beide angeführten Sätze sind im Übrigen überhaupt nicht in einen Vergleich zu bringen, denn das ICH, das im ersten Satz aussagt, nichts zu wissen hat gar nichts zu tun mit der Äusserung:ich sagte nichts".

    Viele ICH sagen auch, ohne zu wissen.

    Viele ICH wissen auch, ohne zu sagen.

    Rama. Lama. Ding-dong.

  • Anonym
    vor 1 Jahrzehnt

    >>Gibt es einen Gott?<<

    -der schwache Agnostiker antwortet:

    >>Ich weiß es nicht.<<

    -der starke Agnostiker antwortet:

    >>Ich kann es nicht wissen.<<

    =>Beide Antworten beziehen sich auf die "Unerkennbarkeit" -die eigene oder die grundsätzliche. Während die zweite Antwort aber ganz eindeutig eine diskutierfähige Position vertritt enthält die erste Antwort keine Aussage, die sich auf die Frage bezieht. Die erste Antwort enthält also nur eine Aussage über das subjektive Nicht-Wissen, wo hingegen Antwort-2 die Bewertbarkeit der Aussage

    >>Es gibt einen Gott.<<

    grundsätzlich bestreitet.

    Hier ist das Nicht-Wissen also eine Erkenntnis und kein bloßes fehlen von Wissen.

    Was davon auf >>Ich weiß nichts.<< zutrifft ist ohne Kontext nicht entscheidbar.

    -Diese Aussage ist also, auf Grund ihrer Mehrdeutigkeit, vorerst nicht bewertbar.

    @mytilena

    So einfach ist es nicht.

    "Nichts" ist ein Begriff, der fast ausschließlich metapherisch verwendet wird -ohne brauchbare Definition.

    Selbst im Vakuum gibt es z.B. Raum und Zeit (ok, das ist jetzt weit hergeholt). "Nichts" meint aber gar nichts, leere, das totale Fehlen -also das Gegenteil von "Alles" (ein genauso extremes Wort). Legt man diese Definition nicht als Metapher aus, dann wäre der Satz "Ich weiß nichts." nicht falsch sondern sinnlos.

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  • vor 1 Jahrzehnt

    Wenn Jemand sagt: "Ich weiß nichts."

    Dann weiß er schon etwas, denn er weiß, dass er "Nichts" weiß.

    Und da es "Nichts" nicht wirklich gibt, ist diese Aussage eindeutig falsch.

  • vor 1 Jahrzehnt

    Ersteinmal eine kleine Anekdote die ich vor kurzem gelesen habe:

    Der Mathematikproffessor wandte sich mit folgenden Worten an die Erstsemesterstudenten:

    "Meine Damen und Herrn, zu Beginn Ihres Mathematikstudiums müssen sie sich zwei Grundsätze immer in Erinnerung rufen.

    Erstens: Ich weiß, daß ich nichts weiß."

    Abfälliges Gemurmel ertönte aus dem Hörsaal angesichts dieses Allerweltspruches.

    "Und zweitens", fuhr der Professer unbeirrt fort, "das Entscheidende ist:

    Mein Nachbar weiß auch nicht mehr als ich!"

    Das ist mein Gedankengang:

    Manchmal denke ich, daß ich über eine bestimmte Sache schon eine ganze Menge weiß. Wenn ich mich dann weiter damit befasse merke ich erst, daß der Anteil meines Wissens viel geringer ist als das, was es noch darüber zu erfahren gibt. (Es ist so, als wenn ich von einer Synphonie nur den 1. Takt kenne)

    Wenn ich weiß, daß ich nichts weiß, dann weiß ich doch etwas: nämlich daß ich nichts weiß. Das ist doch die Bewusstwerdung meiner eigenen Ahnungslosigkeit, mein Nichtwissen bezogen auf ein ganz bestimmtes Thema.

    Die Erkenntnis des Nichtwissens ist nicht so sehr eine Erkenntnis des Nichtwissens von offensichtlich nicht gewussten Dingen, sondern hauptsächlich eine Bewusstwerdung der Lückenhaftigkeit scheinbar einfacher logischer Zusammenhänge sowie ein Sehen der Nichtwissensbereiche in nur scheinbar Gewusstem.

  • Anonym
    vor 1 Jahrzehnt

    okay,dann leg das mal vor.Ich weis etwas,ist etwas völlig anderes als,ich weis nichts ! Etwas, ? kann alles sein , aber nichts,ist nichts!

  • vor 1 Jahrzehnt

    Die Antworten sind wirklich vorzeigbar-

    was man nicht weiß,

    kann man hier erfahren,

    vorbildlich diese Clever User!

  • Anonym
    vor 1 Jahrzehnt

    Sagen das du nicht´s weiss, damit sagt du doch schon was, auch wenn es rein gar nichts sein sollte, denn dann müsstest du ein Neugeborenes sein oder hinterm Mond leben ^^.

  • vor 1 Jahrzehnt

    ich würde mich deiner argumentation anschliessen, nachdem ich vorab überlegte, ob eben doch gilt: ich weiß , dass ich nichts weiß, also weiß ich ja doch etwas, nämlich, dass ich nichts weiß....ist eben die frage, ob das von dir genannte "semantische objekt " die einleitung "ich weiss [ X ] " tatsächlich negiert, also ob man quasi diesen satz als multiplikativen ausdruck aufgreifen kann, wo bei X = 0 sozusagen die komplettaussage wieder erlischt...sie wäre dann nur im im moment des lesen "aktiv" ...hm wenn man das so betrachtete, wäre die aussage nur im unendlich kleinen bereich (zeitlich gesehen) definiert, dieweil die aussage "ich weiss [x]" ohne ein x zunächst unvollständig ist, im moment des bekanntwerdens des x aber selbst erlischt sozusagen...hm ka ob man da unendlich kleiner zeitraum sagen kann oder direkt null, es heisst ja, im wissenschaftlichen sinne sind unendlichkeiten sinnlos und werden immer zu vermeiden gesucht.

    naja, was mir halt eben so eingefallen is dazu, interessante frage jedenfalls:).

    mfgFlexagon

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