Wäre das ein Text für Atheisten?

In seiner "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei", lässt der Dichter Jean Paul (1763-1825) Christus das Folgende sprechen (Auszüge):

»Christus! ist kein Gott?«

Er antwortete: »Es ist keiner.«

Christus fuhr fort: »Ich ging durch die Welten, ich stieg in die Sonnen und flog mit den Milchstraßen durch die Wüsten des Himmels; aber es ist kein Gott. Ich stieg herab, soweit das Sein seine Schatten wirft, und schauete in den Abgrund und rief: 'Vater, wo bist du?' aber ich hörte nur den ewigen Sturm, den niemand regiert, und der schimmernde Regenbogen aus Wesen stand ohne eine Sonne, die ihn schuf, über dem Abgrunde und tropfte hinunter. Und als ich aufblickte zur unermeßlichen Welt nach dem göttlichen Auge, starrte sie mich mit einer leeren bodenlosen Augenhöhle an; und die Ewigkeit lag auf dem Chaos und zernagte es und wiederkäuete sich. - Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Schatten; denn Er ist nicht!«

»Jesus! haben wir keinen Vater?« - Und er antwortete mit strömenden Tränen: »Wir sind alle Waisen, ich und ihr, wir sind ohne Vater.«

>Starres, stummes Nichts! Kalte, ewige Notwendigkeit! Wahnsinniger Zufall! <
Ist das neben mir noch ein Mensch? Du Armer! Euer kleines Leben ist der Seufzer der Natur oder nur sein Echo..... -

2011-11-14T14:41:05Z

@erhardgr: Ich habe deine Antwort natürlich erwartet :-), denn dieser Text ist unter Theologen bekannt. Ich habe ihn einmal vor vielen Jahren gelesen, erinnerte mich jetzt und habe heute deshalb mal gegoogelt und fand ihn dann wieder. Das internet ist ein Segen. Immerhin, die heftige emotionale Reaktion deiner damaligen Schüler/innen zeigt zumindest eines: Jean Paul fand sehr starke und beeindruckende Worte und wie ich meine, bleiben sie auch heute nicht ohne Wirkung - welcher Art auch immer. Genau das macht aber einen "großen" Dichter aus. Eine "Hilfe" für Atheisten sind sie sicher nicht - das war auch eher provozierend gemeint....bin mal gespannt auf weitere Reaktionen. Natürlich kenne ich das Ende der "Story".

2011-11-14T23:53:06Z

@Loki: Du hast den Text recht gut analysiert, hast erkannt, welche "Botschaft" der Dichter in die Welt bringen wollte. Du hast gleichzeitig deine eigene ablehnende Position deutlich gemacht und begründet.
Also beste Voraussetzungen, um in einem Schulaufsatz eine gute Note zu bekommen.
Literarische Texte haben nun einmal das Schicksal, abgelehnt oder bejubelt zu werden oder auch auch gar nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Ein guter literarischer Text soll auch Widerspruch wecken, er soll zum Nachdenken anregen, er soll die eigene Position erkennbar machen.
Und so sage ich dir: ich akzeptiere deine Position.

2011-11-15T02:29:21Z

@Stefan H.: Den ganzen Text kannst du lesen, wenn du den Titel in google eingibst. Im übrigen können in der Literatur auch Tote reden......

erhardgr2011-11-14T14:24:17Z

Beste Antwort

Ich habe diesen Text schon vor Schülerinnen (18 Jahre alt) in Würzburg vor fast 40 Jahren vorgelesen, und nun wieder in der VHS zum Thema "Atheismus".
Die Reaktionen der Schülerinnen in Würzburg 1974 waren zum Teil sehr bewegend. Einige kämpften mit ihren Tränen, alle sahen sehr betroffen aus, so dass ich unterbrochen habe, um der Klasse zu sagen, dass dieser Traum ein gutes Ende für den Autor hat.

Der gesamte Text ist natürlich keine Argumentationshilfe für Atheisten. Er ist eine emotionale Reaktion eines Dichters der Romantik auf die ersten frühen Anläufe atheistischer Stimmen im damaligen Deutschland.

Krümelmonster2011-11-15T19:20:46Z

Literarisch ziemlich interessant, allerdings war es das schon.

Das, was der Text hervorrufen soll, ist eher eine traurige Stimmung, was auch durch negativ wirkende Begriffe wie "Schatten", "Abgrund" und "Sturm" hervorgerufen wird und auch dadurch, dass der Jesus dieser Geschichte heult. Allerdings sehe ich persönlich keine Veranlassung traurig zu sein, wobei ich es auch damals gut aufgenommen hatte, als ich erfahren habe, dass es keinen Weihnachsmann gibt.
Alles in allem wüsste ich nicht, weshalb dieser Text für einen Atheisten überaus interessant wäre.

whyskyhigh2011-11-15T17:11:38Z

nein

Cicero2011-11-15T14:55:12Z

Ich habe mir mal den ganzen Text angesehen und ich muss dir sagen, dass du das Zitieren noch mal üben solltest. Aber gut, das hier ist ja keine Doktorarbeit, also ist es ja nicht so wichtig ;-).

Mir persönlich ist der Text viel zu negativ. An den schönen Seiten dieser Welt ändert es ja nichts, wenn dafür kein Gott verantwortlich ist. Ebenso würde es natürlich auch nichts an den schlechten Seiten ändern, wenn es einen Gott geben sollte.

Ob hinter dem Ganzen ein höheres Wesen steckt, so dass alles einen Sinn hat, oder nicht, ist für mich völlig irrelevant. Die Welt ist so wie sie ist, mit allen guten und schlechten Seiten, egal ob der Schöpfer ein allmächtiger Gott ist oder alles nur Zufall ist.

Anonym2011-11-15T12:21:40Z

Zitate von und über Leben und literarisches Werk von Jean Paul:
Eine solche Verbindung von Witz, Phantasie und Empfindung möchte auch wohl ungefähr das in der Schriftsteller-Welt sein, was die große Konjunktion dort oben am Planeten-Himmel ist. Einen allmächtigern Gleichnis-Schöpfer kenne ich gar nicht.

Er hat in seinen Romanen echt poetische Gestalten zur Welt gebracht, aber alle diese Geburten schleppen eine närrisch lange Nabelschnur mit sich herum und verwickeln und würgen sich damit.

Alles hat er in sich vereint, um auch die verschiedensten Gaumen zu befriedigen; als er fertig war und das Publikum kostete, fand man es wohlschmeckend, delikat, aber es widerstand dem Magen, weil niemand seine Kraftbrühen, den sonderbaren, dunklen Stil, ertragen konnte.

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