Wäre das ein Text für Atheisten?
In seiner "Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei", lässt der Dichter Jean Paul (1763-1825) Christus das Folgende sprechen (Auszüge):
»Christus! ist kein Gott?«
Er antwortete: »Es ist keiner.«
Christus fuhr fort: »Ich ging durch die Welten, ich stieg in die Sonnen und flog mit den Milchstraßen durch die Wüsten des Himmels; aber es ist kein Gott. Ich stieg herab, soweit das Sein seine Schatten wirft, und schauete in den Abgrund und rief: 'Vater, wo bist du?' aber ich hörte nur den ewigen Sturm, den niemand regiert, und der schimmernde Regenbogen aus Wesen stand ohne eine Sonne, die ihn schuf, über dem Abgrunde und tropfte hinunter. Und als ich aufblickte zur unermeßlichen Welt nach dem göttlichen Auge, starrte sie mich mit einer leeren bodenlosen Augenhöhle an; und die Ewigkeit lag auf dem Chaos und zernagte es und wiederkäuete sich. - Schreiet fort, Mißtöne, zerschreiet die Schatten; denn Er ist nicht!«
»Jesus! haben wir keinen Vater?« - Und er antwortete mit strömenden Tränen: »Wir sind alle Waisen, ich und ihr, wir sind ohne Vater.«
>Starres, stummes Nichts! Kalte, ewige Notwendigkeit! Wahnsinniger Zufall! <
Ist das neben mir noch ein Mensch? Du Armer! Euer kleines Leben ist der Seufzer der Natur oder nur sein Echo..... -
@erhardgr: Ich habe deine Antwort natürlich erwartet :-), denn dieser Text ist unter Theologen bekannt. Ich habe ihn einmal vor vielen Jahren gelesen, erinnerte mich jetzt und habe heute deshalb mal gegoogelt und fand ihn dann wieder. Das internet ist ein Segen. Immerhin, die heftige emotionale Reaktion deiner damaligen Schüler/innen zeigt zumindest eines: Jean Paul fand sehr starke und beeindruckende Worte und wie ich meine, bleiben sie auch heute nicht ohne Wirkung - welcher Art auch immer. Genau das macht aber einen "großen" Dichter aus. Eine "Hilfe" für Atheisten sind sie sicher nicht - das war auch eher provozierend gemeint....bin mal gespannt auf weitere Reaktionen. Natürlich kenne ich das Ende der "Story".
@Loki: Du hast den Text recht gut analysiert, hast erkannt, welche "Botschaft" der Dichter in die Welt bringen wollte. Du hast gleichzeitig deine eigene ablehnende Position deutlich gemacht und begründet.
Also beste Voraussetzungen, um in einem Schulaufsatz eine gute Note zu bekommen.
Literarische Texte haben nun einmal das Schicksal, abgelehnt oder bejubelt zu werden oder auch auch gar nicht zur Kenntnis genommen zu werden. Ein guter literarischer Text soll auch Widerspruch wecken, er soll zum Nachdenken anregen, er soll die eigene Position erkennbar machen.
Und so sage ich dir: ich akzeptiere deine Position.
@Stefan H.: Den ganzen Text kannst du lesen, wenn du den Titel in google eingibst. Im übrigen können in der Literatur auch Tote reden......