Wann immer wir uns hier über Gerechtigkeit auslassen, kommt fast unweigerlich die Aussage, dass es niemals eine gerechte Gesellschaft geben wird, dass Utopien wie zum Beispiel der Kommunismus niemals funktionieren können, weil der Mensch letztlich immer egoistisch handeln wird oder von Neid ausgeht oder wie auch immer. Eigentlich stört mich jedes Mal aufs Neue die Unabänderlichkeit eines solchen Satzes, es ist schwierig, ihm etwas entgegenzusetzen. Aber muss man das tatsächlich so hinnehmen oder ist es nicht viel mehr die Folge einer allzu selektiven Geschichtswahrnehmung als einer unablässigen Folge aus Krieg und Gewalt? Die dann einfach nur in die Zukunft verlängert wird?
2010-08-23T05:08:38Z
@Sam W, niemand will über Gerechtigkeit urteilen, wie kommst du auf sowas?
2010-08-23T07:54:18Z
@Hochhausmichel, was uns in der DDR geboten wurde, hatte nichts mit dem Kommunismus als mögliches Ideal zu tun.
Schleier des Nichtwissens2010-08-23T15:06:01Z
Beste Antwort
Interessante Antworten, gerade vom "Natural Born Kieler", "toxy" und "mini".
Das Problem bei der Gerechtigkeit ist, dass es nicht nur eine gibt. Damit meine ich nicht die subjektiven Betrachtungen eines Sachverhaltes, sondern konkurrierende Gerechtigkeitsprinzipien wie Ergebnisgerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit, Verfahrensgerechtigkeit. In Abhängigkeit von der systematischen Herangehensweise gibt es unterschiedliche Gerechtigkeitsforderungen. Allerdings gibt es immer wieder Ansätze und neue Theorien, wie die verschiedenen Gerechtigkeitsvarianten vereint werden oder abgewogen werden können.
Ich denke, dass wir niemals in einer Gesellschaft leben werden, die jedes Individuum als gerecht empfindet. Denn unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit wandeln sich, entwickeln sich weiter. Das ist jedoch nicht so negativ wie es zunächst klingt: Meines Erachtens entwickeln wir uns immer weiter von der Ungerechtigkeit weg. Klar ist unser heutiges System nicht gerecht: Es mangelt an Chancengleichheit, Menschen leben unverschuldet unterhalb des Existenzminimums, es gibt Machtasymmetrien, Ausgrenzung. Die Gleichberechtigung der Frauen ist nicht da, wo sie sein könnte. Andererseits war für eine Frau, die in den 50ern oder erst recht in früheren Jahrhunderten lebte , der heutige Zustand eine Utopie. Unsere Demokratie mag alles andere als perfekt sein, ist aber besser als das Wahlrecht, das durch die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung oder die Französische Revolution erreicht wurde. Und schon das hätte in vorigen Jahrhunderten als unvorstellbar gegolten.
Ich sehe prinzipiell eine Fortentwicklung der Gesellschaft und der Menschen, trotz aller Aufs und Abs. Und daher vermute ich, dass es in der Zukunft eine Gesellschaft geben wird, in der wie gesagt nicht jeder Einzelne von ihrer Gerechtigkeit überzeugt ist, die aber aus unserer Perspektive utopisch ist bzw. einem Ideal sehr nahe kommt.
Sehr interessante Frage und sehr interessante Antworten, ich denke wir hatten nie eine gerechtere Gesellschaft als diese! Wir haben Kommunikation Weltweit,fast nichts bleibt uns verborgen, (ausser was man uns nicht zeigen will oder darf) und zerfleischen uns in unserem Unvermögen damit umzugehen. Das geschieht uns recht, auf unserem Wege. Morgen, morgen wird alles anders danke und sonnige Grüße vom Paten
ich glaube nicht, dass dies voellig unabaenderlich ist. wir haben immerhin kleine fortschritte gemacht und in deutschland zb (trotz allem rumgemotze) eine soziale marktwirtschaft und ein soziales sicherungssystem, das ziemlich ueber alles rausgeht, was kulturen frueher jemals erreicht haben. (ja, wird von der wirtschaft immer wieder mal ausgehebelt, aber wenigstens im prinzip...)
dass der kommunismus nicht funktioniert hat, koennte auch daran liegen, dass er im hauruckverfahren per revolution etabliert wurde. wenn das jemals klappen sollte, dann sicher erst, wenn die menschen ihr denken veraendert haben und wir tatsaechlich keinen nennenswerten probleme mehr damit haben uns alltaegliche resourcen zu beschaffen. dann duerfte der kommunismus allerdings ueberfluessig sein, weil dann eine soziale marktwirtschaft wieder ausreicht...
noch so ein beispiel: open source software wer haette vor 20 jahren geglaubt, dass eine riesige gruppe von menschen ungezaehlte arbeitsstunden kostenlos aufwenden und, so ganz ohne riesige propaganda und ideologie, ihren mitmenschen zur verfuegung stellen? oss hat vorgemacht, dass dies geht und heute kann man eine kleine firma in vielen geschaeftsbereichen betreiben, ohne einen cent fuer software zu investieren. (letzte firma wo ich als programmierer gearbeitet hat entwickelte websites ausschliesslich auf basis von oss produkten)
das kommt nicht zuletzt auch weniger entwickelten laendern zugute, jeder der sich selbst billigste hardware leisten kann (computer fuer 100,- muecken tut es schon), hat im prinzip unbegrenzten zugang zu software. voellig legal. sicher ist das fuer arme menschen auch viel geld, aber im vergleich zu vielen tausend euros die er sonst aufwenden muesste, vielleicht fuer viele machbar. das kommt vor allem auch den begabten zugute, die das nutzen koennen um ihr wissen zu erweitern.
aehnliches entwickelt sich langsam auch mit lernmaterialien, die immer haeufiger im web kostenlos zu finden sind (wikipedia, wikibooks um nur zwei wichtige zu nennen)
(das nur ein neueres beispiel, 'traditionellere" organisationen leisten unentgeltliche arbeit seit vielen jahrzehnten, "aerzte ohne grenzen" um nur eine zu nennen)
dem steht eigentlich nur eine schrumpfende minderheit aus unbelehrbaren fanatikern (ob taliban oder sonstige), gangstern (mafia usw) und gierhaelsen (manche banker) gegenueber. die aber, wenn man es global und langfristig betrachtet, eher an boden verlieren.
sei vielleicht auch noch erwaehnt, dass diese welt sich in einer der kompliziertesten umbruchsphasen befindet, die sie je erlebt hat. (chinas eintritt in die reihe der industrienationen und deren erwachter rohstoffhunger nur als ein beispiel unter vielen. wenn dann bei uns preise steigen, zt wegen hoeherer energie- und rohstoffkosten und weil die billigarbeiter dort wegfallen, dann ist es peinlich, dass gerade linke politiker sich aufregen.)
@Joe: die "naturvoelker" haben meist reichlich primitive kulturen, die gerade gut genug sind, innerhalb des eigenen stammes ein zusammenleben zu ermoeglichen. gewalt war dort an der tagesordnung, (wie du ja am beispiel der Inka selber schreibst). alles andere ist eher eine idealisierung romantisch verklaerter scriftsteller, die von den realitaeten meist weit entfernt waren...
Ich weiß nicht ob du den Kommunismus erlebt hast, also ich habe ein paar Jahre in der DDR gelebt und gearbeitet, besonders gelitten habe ich unter den Kommunisten nicht, mir ging es da nicht schlecht, jede "Gesellschaftsordnung" ist bis jetzt irgendwann untergegangen, so wird es auch im Kapitalismus sein ( viele glauben ja noch, dass dieses System überlegen ist weil es das noch gibt ) aber das ist genauso zum Scheitern verurteilt weil die Menschen irgendwann erkennen werden, dass das auch nichts taugt, die ewige Jagd nach dem Geld und nach jedem Scheissjob kann ja nicht die Lebenserfüllung sein.
Ja, beides. So Naturvölker haben glaub ich recht gut und harmonisch gelebt ohne Ideologie allerdings. Bis der Europäer kam. Obwohl, wissen tuen wir das auch nicht genau, in Lateinamerika hatten die Inkas auch so brutale Blutrituale und fehden untereinander