Mal eine Frage zu moralischen Urteilen auf Entwicklungsebenen und -stufen?

So, ich beschäftige mich ja gerne mit Ethik und so - da bin ich letztens auf die "Klassifikation der moralischen Urteile nach Entwicklungsebenen und -stufen" von Kohlberg gestoßen. Da gibt es ja drei Ebenen mit jeweils zwei Stufen, das ganze geht also bis Stufe sechs. Zu dieser Stufe findet man folgendes:
Orientierung an allgemeingültigen ethischen Prinzipien. Das Recht wird definiert durch eine bewusste Entscheidung in Übereinstimmung mit selbst gewählten ethischen Prinzipien unter Berufung auf umfassende logische Extension, Universalität und Konsistenz. Diese Prinzipien sind abstrakt und ethischer Natur (die Goldene Regel, der Kategorische Imperativ), nicht konkrete Moralregeln wie die Zehn Gebote. Im Kern handelt es sich um universelle Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gegenseitigkeit und der Gleichheit der Menschenrechte und des Respekts vor der Würde des Menschen als individuelle Person.

Auf Stufe eins fängt das ganze mit äußeren, körperlichen Handlungen und Geschehnissen an, weiter geht es mit der Übernahme verschiedener Rollen, der Orientierung an Recht und Autorität, Kompromissen bis eben zu den eigenen Prinzipien.

Jetzt fängt man ja als Kind auf Stufe eins - der körperlichen - an, und im Laufe des Lebens entscheidet das Gewissen auf immer höheren Stufen. Das Gewissen wird doch von Anfang an durch Erziehung, Umfeld und so weiter stark beeinflusst. Kann es also sein, dass man - aufgrund negativer Einflüsse - es gar nicht bis auf Stufe fünf oder sechs schafft, sondern irgendwie bei den Autoritäten und sozialen Regeln "stehen bleibt"?

2009-07-20T14:18:55Z

ohje, scheint die traurige wahrheit zu sein... na, hätte ich mir das überlegen ja schenken können... aber danke für die information

Schleier des Nichtwissens2009-07-20T16:17:28Z

Beste Antwort

Kapaun und Jane haben recht: Die meisten Menschen erklimmen nach dieser Theorie nicht die sechste Stufe.

Allerdings ist diese Theorie umstritten: Zum einen bestreiten Vertreter einer feministischen Ethik, dass dieses männlich zentrierte Modell angesichts empirischer Untersuchungen kaum haltbar ist ( Frauen landen meist auf einer niedrigeren Stufe als Männer, zudem basiert die Studien nur auf Untersuchungen bei Jungen).

Zum anderen ist es für Nicht-Kantianer erstaunlich, dass nach Kohlberg (Kantianer), ausgerechnet die Kantische Ethik das Maß aller Dinge sein soll. Warum sollte ausgerechnet er Kategorische Imperativ Kants statt des Utilitarismus oder der neo-aristotelischen Tugendethik der Endpunkt der moralischen Entwicklung sein? Man könnte den Vorwurf erheben, dass das individuell von Kohlberg präferierte Ethik-Modell als das einzig erstrebenswerte postuliert wird.

Unabhängig dieser Kritiken scheint allerding Konsens darüber zu herrschen, dass Kinder verschiedene moralische Entwicklungsstadien durchlaufen, nur das theoretische Endziel wird bestritten.

Gruß

plattnase negrita2009-07-21T04:24:59Z

ja stimmt genau

bimpy2009-07-21T02:51:51Z

Diese Theorie ist schon im Ansatz falsch, da die erste Stufe nicht allein auf das Körperliche beschränkt ist. Das weiß jeder, der sich mit Säuglingen beschäftigte:
Sehr früh geben Kinder ab, arglos lassen sie jeden von ihrem angesabberten Keks abbeißen. Allein durch die Tatsache, gefüttert zu werden, bieten sie Futter an.
Als ich einen wenige Wochen alten Säugling wickelte, stieß er mir seinen spitzen Finger ins Auge und sofort kullerten bei mir Tränen. Er zeigte sich erschrocken. Diese Gestik hatte er bis dahin von keinem Erwachsenen abschauen können, auch hatte noch keiner in seiner Gegenwart geweint, dennoch war sie da, angelegt im genetischen Code.
Eigentlich mag ich die Vorstellung nicht, ich fände es auch schöner, wenn wir selbstbestimmter wären, aber ich entdecke immer wieder, dass auch Verhaltensmuster genetisch angelegt sind.

Wenn aber der Wille zur Fortbildung vorhanden sowie die Möglichkeiten, diese zu erreichen, gezeigt werden, kann jeder aus sich mehr rausholen, als alle Einflüsse es scheinbar vorgeben.

?2009-07-20T14:13:05Z

Kohlberg hat zu seinem Modell ja schon erklärt, dass der "normale" Mensch nur bis Stufe 4 kommt, die wenigsten schaffen es auf 5 oder sogar auf 6, diese sind eher theoretisch gemeint und als Idealziel anzustreben. Übrigens sagt Kohlberg auch, dass die meisten Frauen bereits auf Stufe 3 hängen bleiben...

Kapaun2009-07-20T14:03:52Z

Ja, das ist sogar der Normalfall.