Der Sandmann, E.T.A. Hoffmann?

Was für eine psychische Krankheit hätte Nathanael nach heutigen psychologische Erkenntnissen? Gab es für diesen Charakter eine Vorlage?
Im ersten Erzählereinschub werden verschiedene Meinungen zu Clara aufgelistet. Ist das schon eine bewusste Kritik des Autors (also dass er sich bewusst zurück hält, da er 'objektiv' wirken möchte, aber von Clara eher einen schlechten Eindruck hat?)
Wieso ist Clara Schuld an Nathanaels Tod? (In seinem Gedicht am Anfang schreibt er ja, dass der Tod ihn freundlich mit Claras Augen anlächle.)

bella2009-04-21T01:34:52Z

Beste Antwort

E.T.A. Hoffmann war mit eng mit dem Nervenarzt Dr. Marcus befreundet und gelangte dadurch zu Informationen über den Verlauf von Geisteskrankheiten und deren Therapie. Außerdem befasste er sich mit Fachliteratur über psychische Krankheiten. Dieses Wissen nützte er natürlich um Figuren in seinen Werken auszugestalten, die dem Wahnsinn verfallen waren, aber dieses Wissen brauchte er auch um seinen Nebenberuf auszuüben, nämlich Gerichtsgutachten zu erstellen.
Tagebüchereintragungen und Aussagen von Zeitgenossen Hoffmanns belegen, dass der Autor Gefahr lief, selbst wahnsinnig zu werden. Die Vielzahl an literarischen Spiegelungen dieses Prozesses untermauern diese Vermutung. Durch Studien von Gerichtsakten schizophrener Delinquenten hatte Hoffmann als gelernter Jurist Einsicht in die Genese des Wahnsinns.
Clara steht für den aufklärerischen Verstandesmensch. Sie verfügt über den wahren, aufrichtigen Blick für die Außenwelt, ist heiter, sorglos und unbefangen. Das Innere und die Außenwelt können harmonisch in Einklang gebracht werden. Sie gilt als prosaisch, gef ühlskalt. Pragmatisch - bürgerliche Lebenshaltung. Man identifiziert sich zumindest anfangs zunehmend mit der Position Claras. Sie allein vermag ihn zu führen, ihn zu überzeugen. Dennoch ist sie nicht fähig mit ihrem Harmoniebedürfnis auf Nathanael einzuwirken. Ihre optimistische Weltsicht wird widerlegt.