Ich habe die Frage mal hier gestellt, da ich nicht wusste wo sie sonst hinpassen könnte...
Bin 15 und habe endlich meinen Berufswunsch entdeckt. Ich würde sehr gerne Chirurg werden. Neurochirurg o.ä hatte ich mir vorgestellt. Leider hört man ja momentan aus Krankenhäusern nichts gutes und dieser Bericht hat mich doch stark abgeschreckt:
Ist es tatsächlich so schlimm? Ich denke mit unregelmäßigen Arbeitszeiten würde ich zurechtkommen, aber die Bezahlung ist unterirdisch und allgemein vermittelt der Bericht einen recht schlechten Eindruck des Chirurgen/Assistenzarzt Lebens.
Vielleicht gibt es hier jemanden der im Krankenhaus arbeitet oder sogar eine ähnliche Ausbildung macht?
Ist es wirklich so schlimm? Glaubt ihr bis ich überhaupt soweit wäre (ca. 11 Jahre noch.. mit Schulabschluss, Ausbildung etc), verbessert sich die Lage? Und ist es in anderen Ländern besser?
daihokutoshichisei2007-06-27T14:14:37Z
Beste Antwort
Das ist schwierig zu beantworten. An sich hat der Artikel Recht mit der Bezahlung und den schlechten Arbeitszeiten. Leider verdienen Ärzte heutzutage wirklich sehr wenig verglichen mit dem, was sie leisten und was für eine Verantwortung sie haben. Das eigentliche Bild eines Normalbürgers gegenüber einem Arzt ist das folgende: er weiß sehr viel und verdient dementsprechend viel. Dem ist leider nicht ganz so! Um Medizin studieren zu können, brauchst du ein sehr, sehr gutes Abi (letztes Jahr stand der NC bei 1,5, um sofort angenommen zu werden). Oder wenn dein Abi schlechter ist (so wie meins), musst du warten, bis du genug Wartesemester (in Abhängigkeit mit deiner Abidurchschnittsnote) hast. Das können durchaus auch mal 9 Semester sein. Der NC ist deshalb so hoch, weil sich sehr viele für dieses Studium bewerben, obwohl alle wissen, dass es sehr leistungsintensiv ist. Es gibt leider auch sehr viele Leute, die Medizin nur deshalb studieren, weil sie Glück hatten, dass ihr Abi so gut war. Frei nach dem Motto:" Mein Abi ist so gut geworden, dann studiere ich eben Medizin!" Und gleichzeitig hast du auch leider sehr viele, die Medizin (oder noch öfter auch Jura) daher studieren, weil sie bis zum Studium nicht wissen, was sie in Zukunft für einen Beruf ausüben wollen und somit denken, dass man mit den beiden Sachen immer irgendwas anfangen kann. Insofern ein großes Lob an dich, dass du dich schon frühzeitig mit diesem Thema auseinandersetzt! Das Studium ist dann wirklich sehr lern- und leistungsintensiv. Du musst alle möglichen Muskel, Knochen, Nerven, deren Aufbau, Funktionsweise usw. lernen. Natürlich auch die lateinschen/griechischen Namen. Du hast sehr viel Biochemie, das so einigen Studenten schon zum Verhängnis wurde. Genauso ist Pathologie so ein Fach, das einige Leute durchaus quält. :-) Aber das ist Ansichtssache. Manchen fliegt das auch einfach zu. Dennoch müssen auch die lernen. Chriurgie ist ein äußerst interessantes Metier, hat aber wirklich den Nachteil, dass es auch "Not-OPs" gibt. An sich kannst du in einer Klinik 24Stunden am Stück operieren, ohne dass die Schlange der noch zu Operierenden großartig abnimmt. Sobald du in einem Krankenhaus arbeitest, hast du dann natürlich auch Schichtdienst, so wie viele Ärzte dort. Allerdings ist der Unterschied, dass die anderen "nur" Bereitschaft haben, die oft ziemlich ruhig ist. Viel häufiger kommen dann Patienten in die Notaufnahme, die plötzlich eine OP brauchen. Un din diesem Falle ist der Chirurg gefragt. Aufnahme, Untersuchung, Befragung, OP. Es gibt natürlich auch Chirurgen, die nicht im Krankenhaus arbeiten. Die Zahl ist aber sehr gering, weil jene wirklich nur die ambulanten OPs machen können. Diese haben dann normale Praxiszeiten. Ich gehe davon aus, dass sich die Situation zwar schon verbessern wird in den nächsten zehn Jahren. Allerdings habe ich keine Ahnung wie sehr. Fakt ist, dass wir immer mehr ältere Ärzte haben, die nacheinander in Rente gehen werden. Dementsprechend wird der Bedarf an Ärzten wachsen. In allen Sparten. Und sobald der Bedarf höher ist, werden sich automatisch auch die Arbeitsbedingungen verbessern müssen, weil man später die Wahl zwischen mehreren Krankenhäusern haben wird. Diese Situation hatten wir schon mehrmals in der Vergangenheit gehabt. Wenn es also dein absoluter Berufswunsch sein sollte, mache es einfach. Die Chance, dass sich die Situation verbessert, ist nicht gering. Und außerdem brauchen wir Leute, die ihren Beruf aus Interesse und nicht aus anderen Gründen wie Geld, Prestige o.ä. machen. Liebe Grüße! P.S.: Viel Glück und Erfolg dabei!
Hallo! Ich bin seit 1986 immer wieder im Krankenhaus in der Pflege beschäftigt gewesen und selbst Ãrztin.
Ja, es ist teilweise enorm schlimm, was die Arbeitsbedingungen angeht. Du sagtest, Du interessierst Dich für Neurochirurgie. Dann muss Dir auch klar sein, dass Du damit bis zum Ende Deiner Berufstage im Krankenhaus arbeiten wirst, denn neurochirurgische Eingriffe werden nicht lokal bei einem niedergelassenen Chirurgen durchgeführt.
HEUTE stören Dich die Nachtdienste nicht - aber wie ist es, wenn Du erst mal 40 oder 50 Jahre alt bist? Kannst Du Dir vorstellen, dass z.B. einer Deiner Eltern jede 3.-4. Nacht ausser Haus ist? Wie erschlagen wäre dann dieses Elternteil wohl? Es geht nicht um einen oder zwei Nachtdienste im Monat, sondern um 2, in Urlaubszeiten auch mal 3 Nachtdienste in der Woche. Bereitschaftsdienst? Bis 22.00 oder 23.00 Uhr darf man erst mal mit stetigem Arbeitsanfall rechnen, und wenn in der Nacht operiert wird, dann kannst Du Schlaf komplett vergessen. Wie fühlst Du Dich, wenn Du "durchgemacht" hast? Nur noch ins Bett? Als Arzt kann man das vergessen. Bis Dienstende ist fehlerfreie Leistung gefordert.
Den Ober- und Chefärzten geht es nur wenig besser: Sie sind weniger Personen und einer von ihnen hat stets Rufbereitschaft. Bei Operationen, die über eine Hautnaht oder eine Nervennaht eines peripheren Nervens hinausgehen, müssen sie sich mit in den OP stellen.
Ich habe über die Jahre gesehen, dass die Allgemeinchirurgen sehr viel schneller gealtert sind als die Internisten. Mehr Falten, tiefere Augenringe, schlechtere Selbstpflege (=das, was man sich selbst Gutes tut).
Im Bericht stand etwas davon, dass sich die Jungmediziner in Fächer wie Dermatologie und Augenheilkunde flüchten - ich kann sie gut verstehen. Diese Fächer gelten als "die kleinen operativen Fächer" - man ist also auch chirurgisch tätig, hat aber den Vorteil, dass man... 1.) ...sich später ambulant niederlassen kann 2.) deutlich geringere Arbeitsbelastung im Bereitschaftsdienst hat.
Ob es besser wird? Die geburtenschwachen Jahrgänge kommen - dann wird vielleicht de Numerus clausus weniger hoch, aber die Mediziner, die im Krankenhaus arbeiten, werden weniger. Und lernen muss man das selbe pensum, egal, welche Abinote man hatte. Die kleineren Jahrgänge werden eher noch zu einer Verschärfung der Arbeitsbedingungen führen, denn die Menschen haben ja weiterhin Unfälle. Du fragtest nach anderen Ländern in denen es besser ist - ja, die gibt es. Amerika ist okay, England nicht. Einige nordischen Länder bieten momentan gute Arbeitsbedingungen für Ãrzte, die sich niederlassen wollen, wie das mit Krankenhausärzten ist, weiss ich nicht. Das wird sich bis Du so weit bist, Auswanderungspläne zu schmieden, sicher noch ein, zwei mal ändern. ;-)
schicke doch mal einen Link zu deiner Frage an die Bundesregierung und v.a. an Ulla Schmidt.
Und du darfst dir mit 15 noch leisten, deinen berufswunsch auszuprägen oder zu ändern... Chirurg ist ein toller Beruf, wenn er denn innerhalb der Ausbildung, Verantwortung und Bedingungen adäquat bezahlt würde.