Favorisierte Antwort:Sagen wir es mal so, es gibt Muslime, die gemäßigt eingestellt sind und Religion als Privatsache betrachten, aber es gibt in der Praxis keinen "anderen" (unpolitischen) Islam. Ein solcher Islam müsste erst erfunden werden, bzw. könnte zwar theoretisch in einem historischen Prozess der Re-Formation (Erneuerung) entstehen, worauf derzeit aber absolut nichts hindeutet. Im Gegenteil hat sich der Islam in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend politisiert und radikalisiert. Ehemals säkulare islamische Staaten wurden zu Theokratien (Iran, ehemals Persien, Afghanistan), oder sind auf dem Weg dahin (Türkei, Pakistan). In Ägypten wurde der gewählte Präsident der Muslimbrüder durch Militärputsch entfernt, um eine solche Entwicklung einstweilen zu stoppen bzw. zu verzögern.
Im Islam wird der Korantext als wortwörtliche göttliche Offenbarung betrachtet, die ebenso wortwörtlich umzusetzen sei. Eine ähnliche Rolle spielen die Hadithen (Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed), die als unfehlbar richtig und damit unhinterfragbar gelten. Daraus leitet sich das göttliche Recht, genannt Scharia ab, an das jeder Muslim sich halten muss, und in konsequent islamischen Staaten Grundlage der Rechtsprechung bildet. Aus islamischer Sicht sind Staaten mit säkularem Recht illegitim und müssen beseitigt werden. Entweder durch offene Konfrontation (mit Feuer und Schwert), oder durch List und Täuschung (Taqiyya), wenn die Muslime im Augenblick zu schwach oder in der Minderheit sind.
Es gibt in der Praxis sogar tatsächlich einige marginale islamische (bzw. sich als islamisch bezeichnende) Strömungen (z.B. Alevitentum oder Ahmadiyya) die den Absolutheitsanspruch des Mehrheitsislam nicht teilen. Doch werden diese dafür, suprise suprise, vom Mehrheitsislam (v.a. Sunniten und Schiiten) als nicht zum Islam gehörig betrachtet, und gelten wahlweise als Apostaten oder Ungläubige (und werden teilweise, wie die Aleviten in der Türkei, diskriminiert und verfolgt). Das bedeutet, zumindest Stand heute, dass wer tatsächlich einen "anderen" (unpolitischen) Islamansatz vertritt, sofort aus der Gemeinschaft der Muslime (Umma) ausgeschlossen wird. Somit kann man die Frage, ob es einen politischen und einen anderen Islam gäbe, ohne jede Polemik oder Zuspitzung klar verneinen.